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Bildung

Die Menschen des Jahres 2016

"Nature" kürt die einflussreichsten Forscherinnen und Forscher des Jahres

Das Fachmagazin "Nature" hat die zehn Menschen des Jahres 2016 vorgestellt. © JVG/Folio art/Nature

Ein KI-Forscher, Astronomen, Reproduktionsforscher und – eine Hackerin: Sie gehören zu den zehn Menschen des Jahres 2016, gekürt vom Fachmagazin „Nature“. Denn diese Forscherinnen und Forscher haben in diesem Jahr die Welt der Wissenschaft entscheidend beeinflusst – sei es durch besondere Entdeckungen, durch umstrittene Experimente oder auch dadurch, dass sie Dinge an Licht brachten und Diskussionen angestoßen haben.

Zum Ende jedes Jahres wählen die Redakteure des Fachmagazins „Nature“ die zehn Forscherinnen und Forscher aus, die ihrer Ansicht nach am meisten in der Welt der Wissenschaft bewegt haben. „Die diesjährige Liste umfasst Wissenschaftler aus allen Teilen des Globus und Fachgebiete, die von der Astronomie über die Reproduktionsbiologie bis hin zu den Rechten von Minderheiten in der Forschung reichen“, sagt Richard Monastersky, einer der Nature-Redakteure.

Maschinenhirn gegen Großmeister

Unter den zehn Wissenschaftlern des Jahres ist DeepMind-Gründer Demis Hassabis – der Schöpfer der künstlichen Intelligenz AlphaGo. Sie sorgte im März 2016 für Aufsehen, als sie das scheinbar Unmögliche schaffte: Sie besiegte den internationalen Champion Sedol Lee im asiatischen Brettspiel Go. Wegen der Vielzahl der möglichen Positionen und Abfolgen von Spielzügen ist Go komplexer als Schach. Daher glaubte bisher niemand, dass ein Computer einen Go-Meister schlagen kann.

Hassabis jedoch, selbst ein Schachwunderkind, ließ sich nicht abschrecken. Er gründete 2010 die Firma DeepMind, entwickelte ein lernfähiges, auf neuronalen Netzen aufgebautes Maschinenhirn und brachte ihm Go bei. Und tatsächlich: Die AlphaGO getaufte KI besiegte im Januar 2016 den europäischen Go-Meister mit 5:0, im März dann Sedol Lee. „Dies markiert einen gewaltigen Sieg für das Feld der künstlichen Intelligenz – und einen persönlichen Triumpf für Hassabis“, schreibt „Nature“.

Hacken für die Chancengleichheit

Um Computer, Chancengleichheit der Forschung und Zugang zu Fachliteratur geht es bei Alexandra Elbakyan, einem weiteren Menschen des Jahres. Weil ihre Universität die hohen Abonnement- und Artikelpreise der Fachliteratur nicht bezahlen konnte, griff die kasachische Informatikerin zur Selbsthilfe: Sie knackte die Paywalls der Fachverlage und holte sich so die für ihre Abschlussarbeit nötige Literatur.

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Die Piratenplattform Sci-Hub macht gehackte wissenschaftliche Publikationen verfügbar © sci-hub

Als immer mehr Wissenschaftlerkollegen die IT-Expertin baten, ihnen doch auch dringend benötigte Fachliteratur zu beschaffen, setzte Elbakyan 2011 die Piraten-Website Sci-Hub auf. Sie stellt gehackte Fachartikel zum Download bereit und umfasst inzwischen rund 60 Millionen Fachartikel – Copyrightbruch in großem Stil. Die Konsequenz: Elbakyan hat inzwischen eine Klage am Hals und hält sich zu ihrem Schutz an einem geheimen Ort auf.

Nach Ansicht von „Nature“ jedoch macht die Informatikerin mit ihrer illegalen Website auf ein großes Problem der heutigen Wissenschaft aufmerksam: Die hohen Preise vieler Fachmagazine unterminieren die Chancengleichheit und benachteiligen so ärmere, aber deswegen nicht weniger brillante Wissenschaftler.

LIGO-Sprecherin und Planetenjäger

Um Geheimhaltung, wenn auch auf andere Weise, ging es bei einem weiteren Menschen des Jahres: bei Gabriela Gonzalez, der Sprecherin der LIGO-Kollaboration. Sie koordinierte die Arbeit der mehr als tausend Gravitationswellen-Forscher und sorgte vor allem dafür, dass während der monatelange Überprüfung der Daten nichts nach außen drang. Erst am 11. Februar 2016 verkündete Gonzalez dann die Weltsensation: den ersten Nachweis der Gravitationswellen.

Auf Transparenz setzte dagegen Guillem Anglada-Escudé, der Entdecker des erdähnlichen Planeten um unseren Nachbarstern Proxima Centauri. Er entwickelte eine Methode, mit der Exoplanetensignale besser aus Spektrographendaten extrahiert werden können und initiierte mit der „Red Dot“-Kampagne gezielt die Suche nach einem Planeten um Proxima Centauri.

Umstrittene Manipulationen

Für heiße Diskussionen sorgte im September 2016 der Reproduktionsmediziner John Zhang. Er hatte erstmals einen menschlichen Embryo erzeugt, der das Erbgut von drei Menschen in sich vereinte. Die Eizelle trug die Mitochondrien einer fremden Spenderzelle in sich, um zu verhindern, dass das Kind einen Gendefekt erbte. Als der Junge auf die Welt kam, sorgte dies weltweit für Aufsehen – und für heftige Kritik an der ethisch umstrittenen und in vielen Ländern verbotenen Manipulation.

Genforscher Kevin Esvelt über die Frage, wann genetische Eingriffe in die Natur sinnvoll sind und wann gefährlich.© MIT Media Lab

Um die Schattenseiten der gefeierten Genschere CRISPR/Cas9 geht es dem Genforscher Kevin Esvelt. Obwohl er selbst einer der Pioniere im Einsatz dieser Genschere ist, warnt er vor den Gefahren einer unkontrollierten und ungenügend reflektierten Genmanipulation mit dieser Methode. Er erkannte mit als Erster, dass Manipulationen mit CRIPR/Cas9 dazu führen können, dass sich geänderte Gene von selbst und unkontrolliert in einer Population verbreiten.

Zika, Korallen und Diskriminierungen

Zu den zehn Menschen des Jahres 2016 gehört auch Celina Turchi, die den Zusammenhang zwischen der Infektion von Schwangeren mit dem Zika-Virus und der Mikrozephalie bei Neugeborenen aufklärte. Der australische Biologe Terry Hughes machte auf das Rekord-Korallensterben im Great Barrier Reef aufmerksam und initiierte ein großangelegtes Überwachungsprogramm für das Weltnaturerbe.

Nachhaltigen Einfluss hatten auch die Erkenntnisse des Atmosphären-Chemikers Guus Velders. Denn er trug im Oktober 2016 entscheidend dazu bei, dass sich Politiker auf ein internationales Abkommen zum Verbot von Fluorkohlenwasserstoffen einigten. Ebenfalls politisch, aber innerhalb der Wissenschaft, bewirkte die Physikerin Elena Long Wichtiges. Denn sie deckte die Benachteiligung und Diskriminierung von Physikern auf, die homosexuell, bisexuell oder transsexuell sind – und löste so eine breite Debatte über Diskriminierungen in der Wissenschaft aus.

„Die Wissenschaftler auf der Nature’s 10 Liste sind eine sehr vielfältige Gruppe“, kommentiert Monastersky. „Aber sie alle haben wichtigen Anteil an großen wissenschaftlichen Ereignissen dieses Jahres gehabt, mit dem Potenzial, Veränderungen auf globaler Ebene zu bewirken.“ (Nature, 2016; doi: 10.1038/540507a

(Nature, 20.12.2016 – NPO)

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