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Physik

Die kleinsten Funkstationen der Welt

Einzelne Photonen könnten sich als Träger von Quanteninformation eignen

Funkverbindung zwischen Molekülen: Die schematische Darstellung veranschaulicht, dass ein Sender-Molekül der organischen Verbindung DBATT einen Strom einzelner Photonen abgibt, die als Wellenpakete dargestellt sind. Das Empfänger-Molekül streut diese Photonen. Antennen, die auf diese Weise Signale austauschen könnten für die Quanteninformationstechnologie nützlich sein. © Robert Lettow

Funkverkehr wird jetzt auf elementarstem Niveau möglich: Wissenschaftler haben zwei Moleküle als Antennen benutzt und von einer zur anderen Signale in Form einzelner Photonen, also Lichtteilchen, übertragen. Da ein einzelnes Photon mit einem Molekül gewöhnlich kaum wechselwirkt, mussten die Physiker einige experimentelle Kniffe anwenden, damit das Empfänger-Molekül das Licht-Signal registriert.

Eine Funkverbindung, die durch einzelne Photonen vermittelt wird, würde sich sehr gut für verschiedene Anwendungen der Quantenkommunikation, etwa in der Quantenkryptografie oder in einem Quantencomputer eignen, berichten die Forscher in den „Physical Review Letters“.

Quantenbits könnten klassische Bits ablösen

Einzelne Lichtteilchen sind das Mittel der Wahl, um Quantenbits zu übertragen. Die kleinsten Einheiten der Quanteninformation könnten einmal die klassischen Bits ablösen, wenn ein Computer dank der Eigenheiten der Quantenphysik in neue Dimensionen der Rechengeschwindigkeit vorstößt. In der Quantenkryptografie dienen einzelne Photonen heute schon als Informationsträger, die sich etwa bei einem Datentausch im Bankgeschäft nicht unbemerkt abfangen lassen.

Physiker um Vahid Sandoghdar aus der Nano-Optik-Abteilung am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen haben in Experimenten an der ETH Zürich einzelne Photonen zwischen den kleinsten Antennen der Welt übertragen, nämlich zwischen zwei Molekülen namens Dibenzanthanthren (DBATT). „Die Schwierigkeit bei diesem Experiment liegt darin, dass normalerweise ein einzelnes Photon mit einem Molekül kaum wechselwirkt“, erklärt der Forscher.

Sender-Molekül muss Photonen geeigneter Farbe abgeben

Für ein Molekül ist ein einzelnes Photon fast so unsichtbar wie für das menschliche Auge. Daher fingen Physiker Atome oder Moleküle bislang zwischen zwei winzigen Spiegeln, zwischen denen die einzelnen Lichtteilchen unzählige Male reflektiert wurden. Auf diese Weise stieg die Wahrscheinlichkeit, dass das Atom das Photon wahrnimmt, deutlich.

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Um ohne die Spiegel auszukommen und so eine direkte Wechselwirkung zwischen einem Photon und einem Molekül zu realisieren, mussten die Physiker um Sandoghdar einige experimentelle Tricks anwenden. Zunächst betteten die Forscher DBATT-Farbstoffmoleküle in Schichten anderer organischer Moleküle ein. Zwei solche mit Farbstoffmolekülen gespickte Schichten positionierten sie nun im Abstand einiger Meter und verbanden sie mit einem Glasfaserkabel. Dann pickten sie aus beiden Schichten jeweils ein Molekül heraus, das sich für den Funkverkehr eignete.

Molekularer Rosinenkuchen

„Das heißt, das sendende Molekül muss Photonen genau von der Farbe abgeben, die das empfangende Molekül aufnehmen kann“, erklärt Professor Stephan Götzinger von der Universität Erlangen.

Dafür kommt deshalb nicht jedes Molekül in Frage, weil die Farbstoffmoleküle zwischen anderen Molekülen stecken, wie Rosinen in einer Scheibe Hefeweck. Die Stöße der Teilchen verändern die Farbe des Lichts, das die Moleküle senden bzw. empfangen, so wie ein Hefeteig die Konsistenz der Rosinen verändert. Daher suchten die Forscher in dem molekularen Rosinenkuchen zum einen Moleküle mit gleicher Umgebung. Zum anderen reduzierten sie die Stöße, indem sie die Proben bis auf minus 272 Grad Celsius abkühlten – also fast bis zum absoluten Nullpunkt der Temperatur.

Für ein Photon passender Frequenz wirkt das Molekül größer

Eines der beiden Moleküle wandelten sie nun in eine Quelle einzelner Photonen um, indem sie es mit einem Laser bestrahlten. Die Molekülantenne sendete daraufhin einen Strom einzelner Photonen aus. Mit einer sehr guten Linse bündelten die Wissenschaftler diesen Photonenstrom dann und leiteten ihn durch die Glasfaser. An deren Ende passierten die schwachen Lichtblitze wiederum eine Linse. Auf diese Weise bündelten die Forscher die Photonen so weit wie möglich.

„Man kann ein Photon im sichtbaren Bereich des Spektrums aber nicht enger einschränken als auf ein paar Hundert Nanometer“, sagt Götzinger. Ein Photon übersieht daher leicht ein Molekül, das normalerweise nur etwa ein Nanometer klein ist, und huscht einfach über es hinweg. „Vor ein paar Jahren haben wir bereits festgestellt, dass wir dennoch eine sehr starke Wechselwirkung erzielen können, wenn die Frequenz des Photons mit der Resonanzfrequenz des Moleküls sehr genau übereinstimmt. Dann wirkt das Molekül viel größer“, erklärt Sandoghdar.

Das lässt sich mit der Schwingung einer Stimmgabel erklären: Musiker bringen eine Stimmgabel zum Klingen, indem sie diese an einem harten Gegenstand anschlagen. Der Schlag regt alle Frequenzen an. Um die Situation zwischen Molekül und Photon zu veranschaulichen, müsste man eine Stimmgabel zum Schwingen bringen, indem man sie auf eine vibrierende Unterlage setzt. Die Zinken schwingen dann nur mit, wenn die Unterlage genau mit der Eigenfrequenz der Gabel vibriert, also etwa mit den 440 Hz des Kammertons „a“.

Austausch von Photonen

„Also muss man ein einzelnes Photon stark auf ein Molekül fokussieren“ meint Sandoghdar. „Das klingt vielleicht einfach, im Labor und bei minus 272 Grad stellte das aber eine Herausforderung dar, die wir erst seit Kurzem meistern können.“

Dank der experimentellen Raffinesse, die das Team entwickelt hat, streut das Empfänger-Molekül im Quantenfunk immerhin drei Prozent der gesendeten Photonen. Der Streuprozess, also die Aufnahme und Abgabe der Lichtteilchen, verzögert dabei den Wellenzug des Lichts. Diese Verzögerung lässt sich nämlich als Information nutzen. „Das könnte für die Quanteninformationsverarbeitung sehr nützlich sein“, sagt Sandoghdar.

Standleitung im Quantenfunk

Nun wollen er und seine Mitarbeiter den an der ETH Zürich erprobten Quantenfunk in Erlangen für Anwendungen in der Quantenphysik weiter optimieren. „Wir arbeiten daran, die Effizienz unserer Empfänger-Antenne weiter zu erhöhen“, sagt der Forscher. Anschließend möchte sein Team aus dem Funkverkehr mit Einbahnrichtung einen echten Austausch machen. „Wir möchten ein Photon zwischen zwei Molekülen mehrmals hin und her werfen“, erklärt er.

Auf diese Weise würden die Eigenschaften der Moleküle und der ausgetauschten Photonen quantenmechanisch sehr fest miteinander verknüpft: Sie würden verschränkt. Solche verschränkten Systeme sind nach Angaben der Wissenschaftler wiederum für den Datentausch im Quantencomputer oder über quantenverschlüsselte Verbindungen hilfreich, weil jeder Partner in dem verschränkten System Information über die anderen Partner enthält. Im Quantenfunk würden die Physiker dann eine Standleitung schaffen. (Physical Review Letters, 2012; doi: 10.1103/PhysRevLett.108.093601)

(MPG, 05.03.2012 – DLO)

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