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Energie

Deutschland: Atomunfall würde Trinkwasser-Versorgung gefährden

Ausbreitungsrechnung von Greenpeace zeigt Bedrohung des Bodensees

Blick über den Bodensee © Florian Glöcklhofer / CC by-sa 2.5

Ein Reaktorunfall mit massiver radioaktiver Freisetzung im Süden Deutschlands oder in der Schweiz könnte laut Greenpeace die Trinkwasserversorgung für 4,5 Millionen Menschen gefährden. Erreicht der radioaktive Fallout eines solchen Super-GAUs den Bodensee, wäre Europas größter Trinkwasserspeicher betroffen.

Eine neue Ausbreitungskarte der Umweltweltorganisation zeigt, dass selbst ein Unfall im rund 150 Kilometer entfernten Atomkraftwerk Neckarwestheim bei ungünstiger Windrichtung zur maximalen Strahlenbelastung im Gebiet des Bodensees führen kann. Im Umkreis von 180 Kilometern rund um den Bodensee liegen 13 Reaktoren.

Trinkwasserversorgung anfällig für Atomunfälle

Die Trinkwasserversorgung in großen Teilen Süddeutschlands ist ähnlich anfällig für Atomunfälle wie die in Japan. Dort stammen fast 90 Prozent des Trinkwassers aus Oberflächenwasser, sagt Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace. Beispielsweise kann das Wasser im Bodensee durch einen schweren Reaktorunfall im Atomkraftwerk Neckarwestheim 1 unter ungünstigen Bedingungen in einer Größenordung belastet werden, wie sie diese Woche im Tokioter Trinkwasser gemessen wurde.

Bei einem im Ausbreitungsmodell errechneten Strahlungseintrag von 1.500 Kilo-Becquerel (Bq) pro Quadratmeter ergibt sich nach Angaben von Greenpeace eine Kontamination, die in Tschernobyl zur dauerhaften Unbewohnbarkeit geführt hat. Langlebige strahlende Nuklide wie Cäsium-137 verbleiben über Jahre im Seewasser. Den Berechnungen der Umweltorganisation liegt eine Ausbreitungsrechnung des Instituts für Meteorologie der Universität für Bodenkultur in Wien zugrunde. Das Modell berücksichtigt die in Süddeutschland vorherrschenden Witterungsbedingungen.

13 Reaktoren im 180-Kilometer-Radius um den Bodensee

In einem Umkreis von 180 Kilometern um den Bodensee liegen 13 Reaktoren. Zu den sechs in Deutschland gehören die alten Kernkraftwerke Neckarwestheim 1 und Philippsburg 1. Die zwei französischen „Pannenmeiler“, so Greenpeace, in Fessenheim sind nur unzureichend gegen Erdbeben gesichert, obwohl sie im Oberrheingraben liegen, einer der seismisch aktivsten Regionen im Südwesten. Unter den fünf Reaktoren in der Schweiz ist auch das AKW Beznau 1, das mit 42 Jahren der älteste Druckwasserreaktor der Welt ist.

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Die deutschen Katastrophenschutzpläne für einen nuklearen Unfall in einem Atomkraftwerk berücksichtigen das Problem der Bodensee-Trinkwasserversorgung laut Greenpeace nicht. Sie sehen nur Maßnahmen in einem Umkreis von 25 Kilometern um das jeweilige Kraftwerk vor.

Größte Fernwasserversorgung Deutschlands

Der Bodensee ist mit rund 50 Milliarden Kubikmeter Wasser Europas bedeutendstes Trinkwasserreservoir. 4,5 Millionen Menschen in Deutschland und der Schweiz werden mit Bodenseewasser versorgt. Bei Sipplingen liegt die größte Fernwasserversorgung Deutschlands über die etwa 320 Städte und Gemeinden mit vier Millionen Einwohnern in Baden-Württemberg versorgt werden.

Regionen wie die Schwäbische Alb und der mittlere Neckarraum um Stuttgart sind nach Angaben von Greenpeace extrem niederschlagsarm und haben Böden, die das Grundwasser schlecht speichern. Die Orte dort verfügen über keine alternative Trinkwasserquelle, auf die sie im Fall einer Seeverschmutzung zurückgreifen können.

(Greenpeace, 28.03.2011 – DLO)

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