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Physik

Das leiseste und ordentlichste Gas der Welt

Physiker erreichen Niedrig-Rekord der Entropie in Quantengas

Geschwindigkeitsverteilung von Rubidium-Atomen bei der Entstehung eines Bose-Einstein-Kondensats. links: vor der Kondensation, Mitte: Kurz nach der Kondensation, rechts: nach weiterer Abkühlung © NIST/JILA/CU-Boulder

So ordentlich wie noch nie: Physiker haben ein superkaltes Gas mit extrem geringer „Unordnung“ erzeugt. Dadurch sinkt das Hintergrundrauschen in diesem Quantengas so stark ab, dass die Forscher Quanteneffekte in dem exotischem Material gewissermaßen belauschen können, wie sie im Fachmagazin „Nature Physics“ berichten. Die Forschungsergebnisse sollen unter anderem bei der Entwicklung von Supraleitern helfen.

Bei extrem niedrigen Temperaturen zeigen manche Gase und Flüssigkeiten merkwürdiges Verhalten: In supraflüssigem Helium oder auch in sogenannten Bose-Einstein-Kondensaten nehmen Quanteneffekte überhand. Helium in diesem Zustand fließt ohne jede innere Reibung. So kriecht es an Gefäßwänden empor und aus unverschlossenen Behältern heraus und rinnt auch durch die allerfeinsten Poren. Innerhalb dieser ultrakalten Materie können tornado-artige Quantenwirbel und magnetische Monopole existieren.

Mit der Temperatur sinkt die Unordnung

Beim Abkühlen tritt jedoch noch ein weiterer Effekt ein: Ein Gas wird gewissermaßen ordentlicher, mit fallender Temperatur nimmt auch seine Entropie ab. Die Entropie ist ein Maß für die „Unordnung“ eines physikalischen Systems. Sie lässt sich aber auch als eine Art Hintergrundrauschen oder Lärm auffassen.

„Temperatur erzeugt so etwas wie ein dauerndes Rumpeln im Gas“, erklärt Dan Stamper-Kurn von der University of California in Berkeley (UCB), „und die Entropie ist eine Art Zähler, wie viele solcher Schallquellen übrig sind.“ Reduziert man diesen Lärm, so lassen sich die quantenmechanischen Effekte im Gas noch detaillierter untersuchen: „Je kälter ein Gas wird, desto weniger Entropie hat es und desto stiller ist es.“

Genau dies ist Physikern um Dan Stamper-Kurn nun in nie zuvor erreichtem Ausmaß gelungen: Sie kühlten rund eine Million Rubidium-Atome so stark ab, dass sie den niedrigsten jemals erzeugten Entropiewert erreichten. Dazu fingen sie die Atome zunächst im Vakuum mit Laserstrahlen ein und bremsten sie immer weiter ab. Die jeweils schnellsten und damit heißesten Atome ließen sie entkommen, so dass die Durchschnittstemperatur immer weiter fiel. Schließlich erhielten sie ein Bose-Einstein-Kondensat mit einer Temperatur von nur einem Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt.

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Subtile Musik der Quantenmechanik

Die Wissenschaftler versprechen sich davon mehr als nur einen neuen Entropie-Rekord: Unter diesen Bedingungen, bei minimaler Entropie und damit minimalem Hintergrundrauschen, wollen sie die exotischen Eigenschaften dieser schwer zu untersuchenden Materialien besser verstehen. Insbesondere in den Bereichen der Vielkörper-Physik und der Quantenmechanik, aber auch der Materialforschung erhoffen sie sich neuere Erkenntnisse. „Wenn alles still und leise ist, kann man vielleicht die subtile Musik der Vielkörper-Quantenmechanik heraushören“, sagt Stamper-Kurn.

Die untersuchten Eigenschaften könnten Fortschritte im Bereich von Quantencomputern und Supraleitung bringen. In supraleitenden Materialien verschwindet bei drei bis vier Grad über dem absoluten Nullpunkt der elektrische Widerstand. Bei Hochtemperatur-Supraleitern gelingt dieser Trick auch bei höheren Temperaturen – allerdings erfordern sie immer noch starke Kühlung. „Ein heiliger Gral der modernen Physik ist es, diese exotischen Materialien gut genug zu verstehen, um eines zu entwickeln, dass völlig ohne Kühlung supraleitend ist“, sagt Erstautor Ryan Olf von der UCB. (Nature Physics, 2015; doi: 10.1038/nphys3408)

(University of California – Berkeley, 05.08.2015 – AKR)

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