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Neurobiologie

Computerspielen trainiert den Zahlensinn

Das Abschätzen subtiler Mengenunterschiede fällt geübten Spielern leichter

Computerspielen kann auch positive Effekte haben, darunter das Training der Aufmerksamkeit und des Zahlensinns. © gorodenkoff/ Getty images

Spielerisch geübt: Wer häufiger Computerspiele spielt, kann auch subtile Mengenunterschiede besser abschätzen, wie ein Experiment enthüllt. Demnach fördert das mit dem Spielen verbundene Training der Aufmerksamkeit auch den angeborenen Zahlensinn. Das Gehirn wird durch die Übung sensibler für feine Reizabstufungen und geringe Veränderungen – und das fördert auch die Erkennung von Mengenunterschieden, wie die Forschenden berichten.

Computerspiele sind besser als ihr Ruf. Denn das Spielen am Computer kann zwar gerade bei kleinen Kindern die Wahrnehmung verändern, bei älteren jedoch hat es durchaus positive Effekte – sofern nicht exzessiv gespielt wird. So stärkt das Computerspielen das Arbeitsgedächtnis und die Aufmerksamkeit, verkürzt die Reaktionszeit und fördert durch Anregung des Hippocampus sogar das Lernen. Auch die Wahrnehmung von Kontrasten und Veränderungen wird verbessert.

Lässt sich der Sinn für Mengen trainieren?

Das weckt die Frage, ob das Computerspielen auch eine andere Fähigkeit trainieren kann: den Zahlensinn. Diese angeborene Fähigkeit sorgt dafür, dass wir Mengen und Mengenunterschiede abschätzen können ohne nachzuzählen. Ähnlich wie bei anderen Sinnesreizen fällt uns dies umso leichter, je größer die Unterschiede zwischen zwei Mengen sind. „Wir können allerdings unsere Wahrnehmung trainieren“, erklärt Erstautorin Joana Stäb von der Universität Tübingen. „Es interessierte uns, ob sich auch der Zahlensinn trainieren lässt.“

Für ihr Experiment rekrutierten Stäb und ihr Kollege Uwe Ilg passionierte Computerspielerinnen und -spieler, die regelmäßig mehr als vier Stunden pro Woche mit ihrem Hobby verbrachten. Als Kontrollgruppe dienten Personen, die deutlich weniger Zeit mit Videospielen verbrachten. Den Teilnehmern wurden in den Tests jeweils zwei Kreise mit Punkten auf dem Bildschirm gezeigt. Sie sollten dann angeben, in welchem Kreis sich mehr Punkte befanden. Die Zahl der Punkte und die Unterschiede zwischen beiden Kreisen variierten dabei.

Sensibler für die feien Unterschiede

Das Ergebnis: Zwar machten beiden Gruppen ähnliche viele Fehler, den Testpersonen aus der Computerspielergruppe fiel es jedoch deutlich leichter, selbst geringe Unterschiede zwischen den Punktmengen zu erkennen. „Vereinfacht ausgedrückt: Computerspieler können intuitiv und ohne nachzuzählen besser unterscheiden, ob mehr Äpfel oder mehr Orangen im Einkaufswagen liegen“, erklärt Ilg. Je länger die Testpersonen pro Woche spielten, desto feiner war ihre numerische Auflösung.

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„Die Fähigkeit, Mengen auf einen Blick zu schätzen, lässt sich demnach tatsächlich trainieren“, sagt Ilg. Das häufige Computerspielen trägt demnach dazu bei, die Sensibilität unseres Zahlensinns für Mengenunterschiede zu schärfen. Allerdings gehen die Forschenden nicht davon aus, dass dies ein spezifischer Effekt des Spielens ist, der gezielt die Hirnareale des Zahlensinns trainiert.

Stärkung der Aufmerksamkeit verbessert auch den Zahlensinn

Stattdessen könnte dieser positive Effekt damit zusammenhängen, dass das Computerspielen bestimmte Formen der Aufmerksamkeit verbessert. „Die Unterschiede zwischen Nichtspielern und Spielern beruhen wahrscheinlich auf den Top-Down-Prozessen, die durch das dorsale Aufmerksamkeits-Netzwerk kontrolliert werden“, erklärt das Team. Dieses sorgt unter anderem dafür, dass relevante Informationen effektiver von irrelevanten getrennt werden.

Dies bestätigt, dass Computerspielen in Maßen auch auf den Zahlensinn indirekt positive Effekte haben kann. Beide Hirnforscher rufen allerdings zu einem nur mäßigen Spielen auf. „Jede Münze hat zwei Seiten – exzessives Computerspielen kann in Abhängigkeit münden, dies ist offiziell als Krankheit anerkannt“, so die Wissenschaftler. (Addiction Biology, 2021; doi: 10.1111/adb.13065)

Quelle: Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH)

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