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Geowissen

Chesapeake Bay Krater: Die Katastrophe dauerte nur zehn Minuten

Bohrkerne liefern neue Erkenntnisse über den Ablauf des Einschlags

Tiefbohrung bei Nacht © ICDP / Universität Wien

Ein internationales Forscherteam hat erstmals eine der größten Naturkatastrophen von der Nordamerika je heimgesucht wurde, minuziös rekonstruiert: die Entstehung des Chesapeake Bay Kraters an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Der mit einem Durchmesser von 85 Kilometern größte bisher bekannte Einschlagskrater in den USA entstand vor etwa 35 Millionen Jahren am Ende des Eozäns während eines gigantischen Impakts.

Über den Ablauf dieses Ereignisses berichten die Geologen um Uwe Reimold und Thomas Kenkmann vom Museum für Naturkunde Berlin zusammen mit Christian Koeberl von der Universität Wien und amerikanischen Kollegen in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science“.

Der Chesapeake Bay Krater ist für das Verständnis von Impaktkratern und deren Entstehung aus mehreren Gründen von großer Bedeutung. Er entstand im flachen Kontinentalschelf bei nur wenigen hundert Metern Wassertiefe. Dadurch erhielt er eine sehr ungewöhnliche Form, die wie ein umgekehrter Sombrero aussieht. Solche Strukturen gibt es bei Einschlagskratern ganz selten. Innerhalb des Zentralbereichs des Kraters (etwa 35 bis 40 Kilometer im Durchmesser) finden sich zudem Brekzien – eckige, zerrüttete Gesteine verschiedener Herkunft, die beim Impact chaotisch zusammengemischt wurden.

Verhängnisvolle zehn Minuten

Wie die Impaktforscher jetzt herausgefunden haben, dauerte die Katastrophe vor 35 Millionen Jahren gerade einmal zehn Minuten. Dennoch spüren die Einwohner von Virginia bis heute indirekt die Folgen, die dieser Meteoriten-Einschlag verursacht hat.

Damals stürzte ein über drei Kilometer großer Asteroid mit der ungeheuren Wucht von über 50.000 Wasserstoffbomben ins flache Schelfmeer des atlantischen Ozeans und riss ein fünf Kilometer tiefes und 25 Kilometer breites Kraterloch nahe der Küste. Ein Gemenge aus Wasser und zertrümmerten Gestein wurde dabei in die Atmosphäre geschleudert.

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Tsunami-Wellen von mehr als einem Kilometer Höhe

Kenkmann: „Tsunami-Wellen von über einem Kilometer Höhe bäumten sich damals auf, gleichzeitig prasselte geschmolzenes Gestein aus der Explosionswolke in den Krater nieder!“ Der Rückstrom des Wassers in den Krater setzte etwa sechs Minuten nach dem Einschlag ein und riss berggroße Granitblöcke mit sich. Nach zehn Minuten war der Krater schließlich fast 90 Kilometer groß und großenteils mit Trümmergestein und Sediment ausgefüllt, die Wasserturbulenzen ließen allmählich nach.

Dieses Szenario rekonstruierten die Wissenschaftler anhand einer 1.760 Meter tiefen Bohrung, die im Rahmen des internationalen kontinentalen Tiefbohrprogramms ICDP mitten in den heute unter Sedimenten verborgenen Krater niedergebracht wurde.

Nach dem Einschlag noch Leben in 1,8 Kilometer Tiefe

Die Untersuchung der im Laufe der 35 Millionen Jahre nach dem Einschlag im Krater abgelagerten Sedimentgesteine lassen nach Angaben der Wissenschaftler zudem Aussagen über die tektonische Entwicklung des Küstengebietes und sogar über die langfristigen Änderungen des Meeresspiegels zu.

Letztlich haben biologische Untersuchungen an den Bohrkernen gezeigt, dass es nach dem Einschlag bestimmte Lebensformen sogar noch in den heißen Zonen des Kraters in 1,8 Kilometer Tiefe gab.

Salzwasserlinse in der Kraterstruktur

Für die Berliner Meteoritenkraterforscher kommt der Bohrung eine Schlüsselrolle zu, denn „sie zeigt uns welche Folgen Einschläge im Meer haben“, so Reimold. Der Name des Kraters, Chesapeake Bay, bezeichnet die Region nicht unweit der Hauptstadt der USA, Washington, wo der Krater verborgen liegt. Noch heute bereitet die ehemalige Katastrophe der Küstenbevölkerung Probleme, denn innerhalb der Kraterstruktur hat sich eine Salzwasserlinse gebildet, die die Wasserversorgung von Millionen Menschen in Virginia erheblich erschwert.

„Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse sind nur der Anfang einer Reihe von detaillierten Untersuchungen, die uns noch viele Jahre beschäftigen werden. Aber bereits jetzt ist klar, dass die Tiefbohrung am Chesapeake Bay Krater, die auch durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) unterstützt wurde, die Impaktforschung einen großen Schritt voran gebracht hat“, ist sich Koeberl sicher.

(idw – Humboldt-Universität zu Berlin/Universität Wien, 30.06.2008 – DLO)

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