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Chemie

Chemiker „überlisten“ hochreaktives Metall

Forscher erzeugen ersten Metallkomplex mit einem elementaren Erdalkali-Metall im Zentrum

Das Erdalkalimetall Beryllium gehört zu den sogenannten s-Block-Elementen - sie sind hochreaktiv. © Images of Chemical Elements/ CC-by-sa 3.0

Chemiker haben das scheinbar Unmögliche geschafft: Sie brachten das Erdalkalimetall Beryllium dazu, elementar zu bleiben und trotzdem eine Verbindung zu organischen Partnern einzugehen. Dadurch schufen sie den ersten Metallkomplex mit einem solchen hochreaktiven Element – eine Weltpremiere. Sie eröffnet den Weg zu weiteren stabilen Komplexen aus Alkali- und Erdalkalimetallen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Chemistry“ berichten.

Die meisten von uns kennen das aus dem Chemie-Unterricht: Wenn reines Natrium mit Wasser in Kontakt kommt, fängt es an zu brennen und explodiert. Wie Chemiker vor kurzem herausfanden, schießen dabei winzige Stacheln aus dem Metall heraus, die die Oberfläche vergrößern und die Reaktion dadurch noch anheizen.

Der Grund für diese heftige Reaktion ist das Bestreben der Alkali- und Erdalkalimetalle, eines oder zwei Außenelektronen an einen Reaktionspartner abzugeben, um in einen energetisch günstigeren Zustand mit voller Außenschale zu gelangen. Von diesen sogenannten s-Block Elemente des Periodensystems gibt es daher fast nur chemische Verbindungen, in denen die Metalle oxidiert vorliegen – und damit nicht im elementaren Zustand.

Komplexverbindungen unmöglich?

Dieses Reaktionsverhalten machte es bisher unmöglich, aus diesen Elementen Metallkomplexe zu bilden – eine für eine Vielzahl von Materialien und Reaktionen wichtige Verbindungsklasse, zu der auch das Hämoglobin in unserem Blut gehört. In solchen Komplexen geben die zentralen Metallatome keine Elektronen ab, sondern bleiben sozusagen passiv und werden durch ihre organischen Verbindungspartner mit Elektronen bestückt.

Elemente mit ohnehin relativ voller Elektronenbesetzung wie Platin, Rhodium oder Palladium bilden zwar relativ leicht solche Komplexe, sie sind aber selten und daher teuer. Doch die günstigeren und reichlicher verfügbaren Metalle der Hauptgruppen sind meist zu reaktiv. Chemiker konnten bisher nur einige p-Block-Elemente wie Silizium, Zinn und Bor dazu bringen, solche niedrigvalenten Komplexe zu bilden.

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Einer der beiden neuen Metallkomplexe: Beryllium in der Mitte, flankiert von zwei stabilisierenden ringförmigen Liganden. © Julia Schuster

Erdalkalimetall „gebändigt“

Holger Braunschweig und sein Team von der Universität Würzburg haben es nun erstmals geschafft, auch eines der „wilden“ Metalle aus dem s-Block zu bändigen: Sie bauten das Erdalkalimetall Beryllium in seinem elementaren Zustand in Moleküle ein, ohne dass ein großer Knall oder der sofortige Zerfall die Folge war.

Gelungen ist den Chemikern dies mit einem Trick: Sie stellten dem reaktiven Metall zwei ringförmige Begleiter an die Seite. Diese Liganden, sogenannte zyklische Alkyl-Amino-Carbene (CAAC), stabilisierten das Beryllium und verhinderten, dass es während der Synthese der Komplexverbindungen Elektronen abgab. Als Folge entstand ein Metallkomplex mit einem elementaren Beryllium-Atom im Zentrum, das über Doppelbindungen in Form sogenannter π-Bindungen, mit zwei benachbarten Kohlenstoffatomen verbunden war.

„Erster Vorstoß zu neuen Verbindungen“

„Damit ist es uns gelungen, die ersten neutralen Verbindungen mit einem elementaren s-Block Element, dem Beryllium, zu isolieren und zu charakterisieren“, konstatieren die Forscher. Das sei eine Weltpremiere. Wie ihre Experimente belegten, sind zwei dieser Beryllium-Komplexverbindungen zudem ungewöhnlich stabil.

Das Spannende daran: Wenn sich mit elementarem Beryllium stabile Moleküle herstellen lassen, stehen die Chancen sehr gut, dass dies auch mit anderen s-Block-Metallen gelingt. „Uns ist hier ein erster Vorstoß geglückt, die s-Block-Elemente in einen Zustand zu bringen, in dem sie Reaktionen bewältigen können, die sonst den kostbaren Schwermetallen vorbehalten sind“, erklärt Koautorin Julia Schuster.

Zwar ist Beryllium ist toxisch und daher eher weniger für eine weitere Nutzung geeignet. Doch für andere, reichlich vorhandene s-Block-Elemente wie Magnesium und Kalzium gilt dies nicht. Sie sind biokompatibel und zudem als Katalysatoren für viele wichtige Reaktionen geeignet, wie die Chemiker betonen. (Nature Chemistry, 2016; doi: 10.1038/NCHEM.2542)

(Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 07.06.2016 – NPO)

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