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Chemiker erzeugen das feinste Gewebe der Welt

Vier Nanometer dünnes Geflecht aus Molekülen schafft es ins Guinness-Buch der Rekorde

Nanogewebe
Verflochten wie bei einem echten Textil sind diese organischen Molekülfäden. Dieses Nanogewebe ist aber nur vier Nanometer dick. © Stuart Jantzen/ www.biocinematics.com

Kaum dicker als ein Atom: Chemikern ist es gelungen, das feinste Gewebe der Welt zu erzeugen. Das einlagige Geflecht aus organischen Molekülketten ist nur vier Nanometer dick, ähnelt in seiner Struktur aber einem gewebten Textil. Erzeugt wurde es durch eine spezielle Abfolge chemischer Reaktionen, durch die sich die Moleküle selbstorganisiert miteinander verbunden haben, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Ob aus Wolle, Seide, Flachs oder Brennnesseln: Schon vor Jahrtausenden stellten unsere Vorfahren Gewebe aus fädigen Materialien her, um daraus Kleidung, Taschen oder Fangnetze zu machen. Später ermöglichte dann die Entwicklung von Webstühlen und Webmaschinen die Massenproduktion von Textilien aus natürlichen und synthetischen Fasern. Wenn es allerdings um Geflechte im Molekülmaßstab geht, stoßen diese Techniken an ihre Grenzen.

Nanogewebe SEM
Das Nanogewebe ist so fein, dass seine Struktur selbst im Rasterelektronenmikroskop nicht erkennbar ist. © University of Manchester

40 bis 60 Millionen Fäden pro Zoll

Wie es bei Geweben noch kleiner geht, stellen nun Forscher um David August von der University of Manchester unter Beweis. Sie haben mit chemischen Methoden das feinste Gewebe der Welt erzeugt. Das Geflecht besteht aus kettenförmigen organischen Molekülen, die wie bei einem klassischen Stoff miteinander verflochten sind. Dabei bilden sie ein regelmäßiges Gewebe aus mal übereinander und mal untereinander ziehenden Fäden.

Doch dieses Nanogeflecht ist kleiner als jedes andere Gewebe: Eine Schicht dieses Nano-Textils ist nur rund vier Nanometer dick und damit fast 10.000-mal dünner als ein menschliches Haar. Die Webdichte des Materials liegt bei einer Fadenzahl von 40 bis 60 Millionen Fäden pro Zoll, wie die Forscher berichten. Zum Vergleich: Die Fadenzahl feiner Bettwäsche liegt bei rund 1.500 Fäden pro Zoll.

Mit diesem Nanogewebe haben es August und sein Team jetzt sogar ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft – für das feinste Gewebe der Welt.

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Vom Nanoflicken zum Gewebe

Wie aber entsteht das Nanotextil? Ausgangspunkt sind schwefelhaltige Kohlenwasserstoffe (Dithiole), die sowohl gerade, flexible Kettenabschnitte, als auch starre Abschnitte aus verknüpften Ringmolekülen enthalten. Gibt man nun Eisenionen (Fe2+) und Tetrafluorborat-Ionen (BF4) zu dieser Lösung hinzu, bringen sie diese fädigen Grundeinheiten dazu, sich überkreuz zusammenzulagern – es entsteht ein „Flicken“ aus drei mal drei miteinander verwobenen Molekülfäden.

Der nächste Schritt der Selbstorganisation ist die Bildung eines größeren Gewebes aus diesen Nanoflicken. Dies geschieht, wenn sich die endständigen Schwefelgruppen der organischen Fäden miteinander verbinden. Aus den gelösten Flickenteilen entsteht ein größeres Gewebe, dass sich als dünne Schicht am Boden des Gefäßes absetzt. Am Schluss werden die Hilfs-Ionen ausgewaschen und zurück bleibt ein Polymer-Gewebe aus organischen Molekülen.

Neue Eigenschaften

Im Experiment erzeugten die Chemiker mit dieser Methode vier Nanometer dicke, aber knapp einen Millimeter lange und breite Nanogewebe. „Dies ist das erste Beispiel eines molekular verwobenen und geschichteten Stoffes“, erklärt Augusts Kollege David Leigh. „Molekulare Fäden auf diese Weise zu verknüpfen, schafft Materialien mit neuen und besseren Eigenschaften. Dieses Gewebe ist beispielsweise doppelt so fest wie die unverwebten Stränge und wenn es nachgibt, reißt es wie ein Stoff entlang von geraden Linien.“

So entsteht das molekulare Nanogewebe.© biocinematics

Wie die Forscher erklären, eröffnet das molekulare „Weben“ damit neue Möglichkeiten für maßgeschneiderte Materialien. So können aus solche Nanogeflechten beispielsweise ultrafeine Filter erzeugt werden, die größere Moleküle abfangen, aber kleine Moleküle durch ihre Poren passieren lassen. (Nature, 2020; doi: 10.1038/s41586-020-3019-9)

Quelle: University of Manchester

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