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Chemie

Chemie: Überraschung im Seltenerd-Kristall

Winzige Verunreinigungen können die gesamte Kristallstruktur verändern

Dieser Kristall verblüffte die Chemiker: Terbium-Americium- Azotetrazolat-Kristall © TU Wien

Kristall torpediert Lehrmeinung: Bisher dachte man, dass winzige Spuren von Fremdatomen die Kristallstruktur eines Stoffs nicht ändern. Doch jetzt haben Chemiker einen Kristall entdeckt, der dies widerlegt. Wenn diese Terbium-Verbindung nur einige Americium-Atome enthält, beeinflusst dies ihr Kristallisations-Verhalten drastisch. Sie verhält sich, als wenn das Terbium im Periodensystem verrückt worden wäre, wie die Forscher berichten.

Normalerweise gilt in der Chemie: Die Mehrheit bestimmt das Verhalten. So verhält sich Kochsalz auch dann noch wie Natriumchlorid, wenn seine Kristalle Spuren anderer Atome oder Moleküle enthalten. Ein Rubin bekommt zwar erst durch eingelagerte Chromatome seine rote Farbe, in allen anderen Aspekten ist er aber noch immer das Mineral Korund. Das eine Spurenverunreinigung das komplette Kristallisationsverhalten oder den chemischen Aufbau eines Stoffs substanziell verändern kann, galt daher bisher als ausgeschlossen.

Eigenartiges Kristallisations-Verhalten

Doch nun haben Chemiker einen Fall entdeckt, der diese Lehrmeinung widerlegt. „Ausgangspunkt war, dass wir uns das eigenartige Kristallisations-Verhalten einer Substanz nicht erklären konnten“, erklärt Koautor Peter Weinberger von der TU Wien. Er und seine Kollegen hatten die Kristallisation einer Verbindung des Selterd-Metalls Terbium näher untersucht, des sogenannten Terbium-Azotetrazolats.

Dabei stellten sie fest, dass sich diese Substanz bei der Kristallisation völlig anders verhält, wenn in seinem Gitter winzige Spuren von Americium eingelagert sind. Americium ist ebenfalls ein Seltenerd-Metall, gehört aber nicht zu den Lanthanoiden, sondern zu den Actinoiden und Transuranen. Es ist radioaktiv, weshalb die Forscher die Verunreinigung ihrer Proben überhaupt nachweisen konnten.

Ein Atom beeinflusst eine halbe Milliarde andere

Die Experimente ergaben: Selbst winzigste Spuren von Americium verändern das chemische Verhalten von Terbium drastisch. Der Einfluss eines einzelnen Americium-Atoms verändert die chemischen Eigenschaften einer halben Milliarde Terbium-Atome so, dass sie sich verhalten, als wäre dieses Element plötzlich im Periodensystem weiter nach vorne gerutscht, wie die Forscher erklären.

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Das radioaktive Seltenerd-Metall Americium wird unter anderem in Rauchmeldern verwendet. © Whitepaw/ gemeinfrei

„Die Struktur, die wir für das Americium-dotierte Terbium gefunden haben, entspricht denen von leichten Lanthanoid-Verbindungen, statt der der schwereren Lanthanoide, zu denen Terbium gehört“, berichten die Wissenschaftler. „Die Spuren von Americium scheinen die Terbium-Verbindung in eine Struktur zu zwingen, die normalerweise von den leichteren Lanthanoiden bevorzugt wird.“

Relevant auch für atomare Endlager

Diese Beobachtungen wiederspricht der gängigen Lehrmeinung. Denn offenbar stimmt es nicht immer, dass bloße Spuren von Fremdatomen so grundlegende Eigenschaften wie die Kristallstruktur nicht verändern können. Zumindest für eine Terbiumverbindung mit Americium-Spuren haben die Chemiker dies nun widerlegt.

Doch was könnte dies praktisch für Auswirkungen haben? Wie die Forscher erklären, könnte dies beispielsweise in Endlagern für radioaktive Abfälle relevant werden. Denn sollten radioaktive Elemente wie Americium in Spuren in das umliegende Salz oder Gestein eindringen, könnte dies deren Struktur beeinflussen und möglicherweise sogar schwächen.

Bei der Suche nach einem Endlager müsse daher in Zukunft berücksichtigt werden, welchen ändernden Einfluss radioaktive Abfälle unter bestimmten Bedingungen auf die sie umgebende Umwelt haben könnten. „Dies zu berücksichtigen, wird zweifelsfrei möglich sein. Unsere Forschung hat es jedenfalls ermöglicht, ein künftiges Endlager noch ein gutes Stück sicherer zu machen“, meint Seniorautor Georg Steinhauser von der Universität Hannover. (Angewandte Chemie International Edition, 2017; doi: 10.1002/anie.201703971)

(Technische Universität Wien, 24.08.2017 – NPO)

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