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Materialforschung

Brillen: Nanogold-Heizung schützt vorm Beschlagen

Dünne Goldbeschichtung absorbiert wärmendes Infrarotlicht und verhindert die Kondensation

beschlagene Brille
Beschlagene Brille: Das rechte Glas im Bild trägt die Gold-Beschichtung, das linke nicht. © ETH Zürich

Passive Heizung aus Gold: Wissenschaftler haben eine Beschichtung entwickelt, die das Beschlagen von Glas verhindert. Sie besteht aus einer extrem dünnen Schicht von Gold und Titanoxid und funktioniert, indem sie sich durch den Infrarotanteil des Tageslichts erwärmt. Dadurch gleichen sich die Temperaturunterschiede zwischen Glas und Umgebung an, was ein Beschlagen von vornherein vermeidet. Die Schicht selbst ist transparent und nur zehn Nanometer dick. Mögliche Anwendungsbereiche sind Brillen, Autoscheiben und optische Sensoren.

Brillenträger kennen das Problem: Man kommt im Winter von draußen in einen beheizten Raum und sieht auf einmal nur noch Nebel. Auch das Maskentragen während der Corona-Pandemie führte häufig zu vernebelten Brillengläsern. Warum ist das so? Oberflächen beschlagen durch Temperaturunterschiede. Trifft das kalte Brillenglas plötzlich auf warme Luft – zum Beispiel Heizungsluft oder heißen Atem – kühlt sich diese Luft am Brillenglas ab und kann in der Folge weniger Feuchtigkeit aufnehmen. Die überschüssige Feuchtigkeit kondensiert und bildet kleine Tröpfchen auf den Brillengläsern. Erst wenn die Brille die Umgebungstemperatur angenommen hat, legt sich dieser Nebel wieder.

Antibeschlagsprays sollen die Tröpfchenbildung verringern, helfen aber nur bedingt. Sie verteilen die Kondensation lediglich gleichmäßiger, verhindern sie aber nicht. Bei Autoscheiben gibt es mittlerweile präventive Methoden, die mit einer heizbaren Schicht aus Nanokohlenstoffröhrchen oder Zinnoxid arbeiten. Doch die sind auf eine Stromquelle angewiesen, was ihren Einsatz für Brillengläser erschwert.

Aufbau der Beschichtung
Aufbau der Beschichtung: eine Goldschicht zwischen zwei Titanoxid-Schichten. © ETH Zürich

Mit Nanogold und Infrarotlicht gegen das Beschlagen

Forschende um Iwan Hächler von der ETH Zürich haben nun eine neue Methode ausgetüftelt, die das Beschlagen von vornherein und ohne zugeführten Strom verhindern soll. Ihr Ansatz: eine ultradünne, transparente Gold-Beschichtung, die sich im Sonnenlicht erwärmt. Auf die Brillengläser aufgetragen, soll sie die Temperaturunterschiede zwischen Glas und Umgebung ausgleichen und so das Beschlagen präventiv verhindern.

Möglich wird dies durch die besondere Zusammensetzung der Beschichtung. Sie besteht aus einem „Sandwich“ aus Gold und Titanoxid. Dabei liegen winzige Goldcluster zwischen zwei hauchdünnen Schutzschichten aus Titanoxid. Die Goldschicht ist ein extrem effektiver Strahlungsabsorber. Das Licht, das sie schluckt, stammt vorrangig aus dem für menschliche Augen nicht wahrnehmbaren Infrarotspektrum. „Unsere Beschichtung absorbiert einen großen Teil der Infrarotstrahlung und erwärmt sich dadurch um bis zu acht Grad Celsius“, erklärt Hächler. 

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Wolken sind kein Hindernis

Auch das Titanoxid ist für den heizenden Effekt der Beschichtung wichtig. Dank seiner lichtbrechenden Eigenschaften sorgt es dafür, dass vor allem längere Wellenlängen des Lichts bis zur Metallschicht gelangen. „Das verlängert die Zeit, die das Licht bei der Wechselwirkung mit dem Goldfilm verbringt, wodurch die Infrarot-Absorption verbessert wird“, erklären die Forschenden. Da die Beschichtung auf Infrarotlicht spezialisiert ist und kaum Licht aus dem für uns sichtbaren Spektrum absorbiert, erscheint sie für uns trotzdem transparent und ist gut für Brillengläser und Co geeignet.

Damit die Antibeschlag-Schicht ihren Zweck erfüllt, benötigt sie laut Wissenschaftlern außerdem nicht zwingend direktes Sonnenlicht. Der Effekt funktioniere auch bei bewölktem Himmel oder in Innenräumen. Umgekehrt ist nicht zu befürchten, dass sich das Material bei intensiver Sonneneinstrahlung – etwa bei einem im Freien geparkten Auto – zu stark erwärmt: „Die Scheibenbeschichtung absorbiert die Infrarotstrahlen der Sonne, was die Scheibe gezielt erwärmt und verhindert, dass die Strahlung in das Innere des Autos oder Gebäudes gelangt. Dadurch heizt sich der Innenraum noch weniger auf als ohne die Beschichtung.“

Vielfältige Anwendungsbereiche

Bisher hat das Team seine Erfindung bereits an Glasoberflächen im Labor und auch unter „Außenwelt“-Bedingungen an Brillengläsern erfolgreich getestet. Dabei zeigte sich, dass die Beschichtung das Beschlagen im Vergleich zu einer unbeschichteten Oberfläche viermal besser verhindern kann. Hächler und sein Team können sich vorstellen, die von ihnen entwickelte Beschichtung zukünftig bei verschiedenen Materialien anzuwenden, darunter neben Brillen auch Autoscheiben, Fenster, Spiegel und optische Sensoren.

Die Entwickler sehen auch deshalb großes Potenzial in ihrer Erfindung, weil sich die Beschichtung mit etablierten, weit verbreiteten Methoden auftragen lässt: Man kann das Gold im Vakuum einfach auf die entsprechende Oberfläche aufdampfen. Weil das Edelmetall extrem dünn aufgetragen wird und man deshalb nicht viel davon benötigt, ist das Ganze zudem relativ günstig. Zusammen mit dem Titanoxid ist die Beschichtung gerade einmal zehn Nanometer dick – ein Zwölftel der Dicke von gewöhnlichem Blattgold.

Die Beschichtung „hat das Potenzial, großflächig aufgetragen oder in bestehende mehrschichtige Beschichtungen integriert zu werden, wodurch eine Antibeschlagfunktion hinzugefügt wird“, erklärt das Team. Die ETH Zürich hat die Beschichtung bereits zum Patent angemeldet. Das Forschungsteam um Hächler will seine Erfindung aber trotzdem weiterentwickeln und zum Beispiel untersuchen, ob andere Metalle ebenso gut geeignet sind wie Gold. (Nature Nanotechnology, 2022; doi: 10.1038/s41565-022-01267-1

Quelle: ETH Zürich

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