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Chemie

Bioplastik aus Zitronen

Forscher stellen Polycarbonat aus in Zitrusfrüchten enthaltenem Naturstoff her

Das unter anderem in Zitronen enthaltene Limonen könnte der Schlüssel zu einer neuen Generation von Bioplastik sein. © Public domain

Biobasierter Kunststoff: Wissenschaftler haben ein Plastik entwickelt, das auf dem in Zitronen und Orangen enthaltenen Naturstoff Limonen basiert. Ihr Polycarbonat zeichnet sich durch eine besonders gute Hitzebeständigkeit aus und ist dank des nachwachsenden Rohstoffs umweltverträglicher als normale Kunststoffe. Außerdem kommt es ohne den umstrittenen Weichmacherzusatz Bisphenol A aus. Das Limonen könnte nach Ansicht der Forscher daher auch als BPA-Ersatz bei der herkömmlichen Plastikherstellung Anwendung finden.

Ob Handyhülle, PET-Flasche oder Plastiktüte: Kunststoffe begegnen uns im Alltag nahezu an jeder Ecke. Sie scheinen unverzichtbar – doch gleichzeitig geraten sie zunehmend in Verruf. Denn zum einen werden Materialen wie Polycarbonate aus dem immer knapper werdenden Rohstoff Erdöl hergestellt. Zum anderen landen sie oft nach kurzem Gebrauch bereits wieder in der Tonne und ihre nur schwer abbaubaren Überreste belasten die Umwelt.

Hinzu kommt, dass einige in Plastik enthaltene Inhaltsstoffe als gesundheitlich bedenklich gelten. Die Chemikalie Bisphenol A etwa, die das Material flexibler und elastischer machen soll, kann nachweislich den Hormonhaushalt von Menschen und Tieren stören. Zudem steht sie im Verdacht, Übergewicht und sogar Autismus zu fördern.

Naturstoff Limonen als Ausgangsbasis

Aus diesen Gründen suchen Wissenschaftler inzwischen längst nach nachhaltigeren und verträglicheren Alternativen zum herkömmlichen Kunststoff. Unter dem Schlagwort Bioplastik forschen sie unter anderem an Polymeren aus erneuerbaren, pflanzlichen Rohstoffen wie Weizen oder Zuckerrohr.

Ein Team um den Chemiker Arjan Kleij vom Institut für chemische Forschung Kataloniens in Tarragona hat nun erfolgreich Zitrusfrüchte als Ausgangsmaterial für die Plastikherstellung getestet. Konkret entwickelten sie eine Methode, mit deren Hilfe sich aus dem Naturstoff Limonen in Verbindung mit Kohlendioxid ein Polycarbonat herstellen lässt. Limonen gehört zur Gruppe der sogenannten Terpene und kann zum Beispiel aus Zitronen, Orangen und Pomeranzen isoliert werden.

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Möglicher Ersatzstoff für BPA

Besonders interessant dabei: Limonen verfügt offenbar über ähnliche Eigenschaften wie das umstrittene Bisphenol A, kurz BPA. Daher könnte es bei der herkömmlichen Plastikherstellung auch als Ersatzstoff für den Weichmacherzusatz zum Einsatz kommen, wie Kleij und seine Kollegen berichten. Denn Plastik vollständig aus Limonen herzustellen, sei für viele Industrien derzeit wohl noch zu aufwändig.

„Stattdessen könnten wir klein beginnen, zunächst nur geringe Mengen Limonen verwenden und das BPA Schritt für Schritt immer mehr damit ersetzen“, sagt Kleij. „Am Ende dieses Prozesses stehen dann neue Limonen-basierte Biomaterialien mit ähnlichen oder womöglich sogar besseren Eigenschaften als das herkömmliche Vorbild.“

Besonders hitzebeständig

Tatsächlich zeigten die Wissenschaftler, dass ihr umweltfreundliches Polymer aus Limonen nicht-biobasierten Polycarbonaten in bestimmten Punkten überlegen ist. So verfügt es über eine höhere Glasübergangstemperatur – laut Angaben des Teams die höchste, die für ein Polycarbonat jemals bestimmt worden ist. Das bedeutet: Das Material fängt erst bei besonders großer Hitze an zu schmelzen und sich zu verformen – für den Alltagsgebrauch eine durchaus nützliche Eigenschaft.

Damit Kunststoffe auf Basis von Limonen in Zukunft im großen Stil hergestellt werden können, stehen Kleij und seine Kollegen derzeit mit Plastikproduzenten in Verbindung. Gemeinsam wollen sie den industriellen Herstellungsprozess für das Biomaterial weiter optimieren, so die Ankündigung. (ACS Catalysis, 2017; doi: 10.1021/acscatal.7b00770)

(Institute of Chemical Research of Catalonia (ICIQ), 18.07.2017 – DAL)

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