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Biotechnologie

Big Brother für Zellen

Neuer Mikrochip ermöglicht langfristige Beobachtung von Einzelzellen

Gefangene Hefezelle: Auf dem Mikrochip erzeugen vier Elektrodenpaare ein elektromagnetisches Feld, aus dem die Zelle nicht entweichen kann. © Hendrik Kortmann / ISAS

Auch Zellen sind Individuen. Wahrscheinlich jedenfalls, denn eindeutig beweisen ließ sich das bisher noch nicht. Einzeln waren die kleinsten Lebensbausteine nämlich nur schwer zu erwischen, darum waren Aussagen über die Funktionsweise von Zellen rein statistischer Natur. Wissenschaftler haben jetzt aber einen Mikrochip entwickelt, mit dem sich erstmals einzelne Zellen nicht nur isolieren, sondern auch über einen längeren Zeitraum beobachten lassen.

In Hendrik Kortmanns Einkaufskorb war in den letzten zwei Jahren häufig Backhefe zu finden. Nicht weil der 29-jährige Dortmunder so gerne Christstollen isst, sondern weil die Backzutat praktischerweise aus Versuchskaninchen für seine Forschung besteht: Hefezellen dienen in der Biologie als Modellorganismen für die verschiedensten Untersuchungen. Kortmann forscht am Institute for Analytical Sciences (ISAS) und hat den „Big Brother“ für Zellen im Rahmen seiner Dissertation mitentwickelt.

Zellen im Wohlfühl-Gefängnis

Unter dem Mikroskop lassen sich schon jetzt einzelne Zellen sichtbar machen, allerdings nützt das nicht viel, denn sie sehen alle gleich aus. „Aber das tun eineiige Zwillinge im Prinzip auch und doch reagieren sie in der gleichen Situation nicht immer gleich“, erläutert Kortmann. „Wir möchten wissen, ob das bei Zellen genau so ist.“

Dazu reicht es nicht, Momentaufnahmen per Mikroskop zu machen. Die einzelnen Zellen müssen über eine gewisse Zeit am Leben erhalten werden, um ihre Reaktionen auf bestimmte Ereignisse beobachten zu können. Die Apparatur dafür hat der Biotechnologe auf einem Mikrochip installiert. Ein elektromagnetisches Feld fängt die Zelle ein und sorgt dafür, dass sie nicht entwischen kann.

Damit sie sich in ihrem Gefängnis auch wohlfühlt, sorgt ein ausgeklügelter Heizmechanismus für konstante Temperaturen. Zu dem von Kortmann entwickelten Minilabor gehört darüber hinaus noch eine geeignete Trägerlösung, die die Zelle am Leben erhalten muss, aber die Temperatur so wenig wie möglich beeinflussen darf.

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Hendrik Kortmann bereitet einen Mikrochip für eine Messung vor. © Uta Deinet/ISAS

Einzigartige Technologie

„Eine solche Technologie zur gezielten Einzelzell-Untersuchung hat es noch nie gegeben“, erklärt Andreas Schmid, Professor am ISAS und Kortmanns Doktorvater. „Nach der Veröffentlichung in wissenschaftlichen Fachzeitschriften sind wir damit weltweit auf großes Interesse gestoßen“, so der Biochemiker.

Schmid hat das Projekt zur Einzelzell-Analyse auf den Weg gebracht und sieht vielfältige Verwendungsmöglichkeiten, sowohl in der Grundlagen- als auch in der anwendungsorientierten Forschung. Bisher beruhten biologische Erkenntnisse auf Untersuchungen von Zellkulturen, die aus bis zu Milliarden Zellen bestehen – die Ergebnisse bestanden aus reiner Statistik.

Auf der Suche nach Mini-Reaktoren

Mit der neuen Technologie lässt sich jedoch messen, ob einzelne Zellen resistent auf pharmazeutische Wirkstoffe reagieren und andere nicht. Oder ob es Zellen mit bestimmten Eigenschaften gibt, die – als Mini-Reaktoren – zukünftige Biokraftstoffe wie Ethanol oder Butanol effektiver als andere erzeugen können.

„Und vom ganz Kleinen lässt sich ja manchmal auch auf das ganz Große schließen“, ergänzt Schmid, „wenn wir einzelne Zellen als die winzigsten Bausteine des Lebens individuell untersuchen können, entdecken wir vielleicht auch einen Grund für unsere eigene Individualität.“

(idw – ISAS – Institute for Analytical Sciences, 18.12.2008 – DLO)

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