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Evolution

Begann der aufrechte Gang mit einem Schlurfen?

Schlurfen bei kurzen Entfernungen energieeffizienter als Vierfüßergang

Irgendwann in grauer Vorzeit geschah es: Unser Urahn richtete sich auf und machte die ersten aufrechten Schritte. Aber was brachte ihn dazu? Ein neues Modell zeigt nun, dass der aufrechte Gang – oder besser gesagt ein aufrechtes Schlurfen – unter bestimmten Bedingungen energieeffizienter sein kann als die vierfüßige Fortbewegung.

Vor rund vier und sieben Millionen Jahren richtete sich der Urahn der heutigen Primaten und des Menschen auf – vielleicht um eine Frucht zu pflücken – und schlurfte ein paar Schritte weiter zur nächsten Frucht, anstatt wie sonst erst auf alle Viere zu fallen und sich am neuen Ort wieder aufzurichten. So sieht es eines der Szenarien zur Entwicklung des aufrechten Ganges. Ob dieses Szenario sich aber tatsächlich so abgespielt hat, weiß bisher niemand so genau.

Schimpanse als Modell

Bisher existieren unterschiedliche Theorien darüber, warum die Primaten den aufrechten Gang entwickelt haben und wie genau dies geschah. Forscher der Universität von Washington und der Johns Hopkins Universität haben jetzt ein mathematisches Modell entwickelt, dass den entscheidenden Schritt vor allem unter energetischen Gesichtspunkten betrachtet.

Als Modellorganismus nutzten die Forscher dabei den Körperbau eines Schimpansen, da diese Menschenaffen anatomisch den Urprimaten nahe kommen. „Unser letzer gemeinsamer Vorfahre hatte vermutlich einen Körperbau wie ein Schimpanse“, erklärt Patricia Kramer, Assistenzprofessorin für Anthropologie an der Universität von Washington und Koautorin der Studie. „Daher sind sie ein gutes Modell.“

Hunger als Triebkraft

Ihrer Ansicht nach war es ein leerer Magen, kombiniert mit dem Zwang, Energie zu sparen, der unsere Vorfahren dazu brachte, die ersten Schritte zu gehen. Dabei handelte es sich laut Kramer und Co. wohl eher um eine Art Schlurfen als um einen weitausgreifenden Gang. „Metabolische Energie wird durch das produziert, was ein Tier frisst und das ermöglicht es ihm, sich zu bewegen“, erklärt Kramer. „Aber das ist eine begrenzte Ressource, vor allem für Weibchen mit Kindern. Nahrung finden ist daher lebensnotwendig und ein Tier muss Energie sparen und sie effizient nutzen.“

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Mithilfe des Modells kalkulierten Kramer und ihr Kollege Adam Sylvester, dass es sich vom Energiehaushalt her für einen Schimpansen nur bei Entfernungen weniger als neun Metern lohnt, sich aufzurichten und ein paar Schritte zu schlurfen. Ab 15 Metern jedoch wird dies zu Energieaufwändig und der Vierfüßergang ist effizienter.

„Das sind Vorhersagen, die getestet werden können”, so die Forscherin. „So dürfte man einen Schimpansen nur selten längere Distanzen aufrecht gehen sehen. Dafür passiert es eher nicht, dass er auf alle Viere zurück geht, wenn er nur eine kleine Entfernung zurücklegen will und schon aufgerichtet steht. Das ist wie bei einem Kleinkind, das gerade laufen lernt. Wenn es nur vom Sofa zum Couchtisch möchte, wird es laufen. Aber wenn es längere Distanzen zurücklegt, dann krabbelt es noch.“

(University of Washington, 02.06.2008 – NPO)

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