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Materialforschung

Auf dem Weg zum „Chamäleon“-Fenster

Neue Technologie kann Farbwechsel von Glasflächen elektrisch steuern

Die Farben verschiedener Metallo-Polyelektrolyte variieren in Abhängigkeit vom Metall-Ion, das sie enthalten. Oben ist Eisen im Spiel, in der Mitte Ruthenium, unten Cobalt. © Dirk Kurth

Fenster, die je nach Sonneneinstrahlung ihre Transparenz und Farbe ändern können, gibt es schon. Doch ihre Herstellung ist aufwändig, die Qualität eher mau. Jetzt arbeiten Würzburger Forscher an „Smart Windows“, deren farbige Tönung sich elektrisch schalten lässt. Damit ließe sich zukünftig Einiges an Energie sparen. Verantwortlich für den Farbwechsel sind dabei Metall-Ionen, eingebettet in eine speziell Matrix.

Mit Glasfassaden oder Fenstern, die ihre Lichtdurchlässigkeit und Farbe je nach Sonneneinstrahlung verändern, lässt sich Energie sparen. Im Sommer würden solche Scheiben die Wärmestrahlung von draußen besser abhalten, so dass zum Beispiel in Bürogebäuden weniger Klimatisierung nötig wäre. Und im Winter könnten sie den Wärmeverlust aus geheizten Räumen deutlich verringern. Solche Verglasungen, die ihre Farbe ändern, sind industriell bereits herstellbar.So gibt es zum Beispiel Rückspiegel im Auto, die sich automatisch verdunkeln, wenn Licht auf ihre Sensoren fällt. Der Fahrer wird dann nicht geblendet.

Aufwändig und wenig haltbar

„Der Aufbau der bislang realisierten Produkte ist aber kompliziert, die Fertigung aufwändig und teuer“, erklärt Professor Dirk Kurth vom Lehrstuhl für Chemische Technologie der Materialsynthese an der Uni Würzburg. Zudem funktioniere die Technik für großflächige Verglasungen bis heute nicht richtig: Die Scheiben werden schnell trübe oder fleckig – eine Folge ihres komplizierten Aufbaus aus mindestens fünf unterschiedlichen Materialschichten. An der Realisierung besserer Methoden und Fenster arbeiten nun das Würzburger Fraunhofer-Institut für Silicatforschung und Wissenschaftler um Kurth in einem Verbundprojekt, das vom Bundesforschungsministerium mit 1,1 Millionen Euro

gefördert wird.

„Smart Windows“ mit elektrisch schaltbarer Tönung

Mit neuartigen Materialien – Metallo-Polyelektrolyten – wollen Wissenschaftler das System nun vereinfachen, besser machen und die Fertigungskosten erheblich senken. Ihr Ziel heißt „Smart Windows“, neue Fenstertypen mit einer farbigen Tönung, die sich elektrisch schalten lässt. Die Herstellung der „Smart Windows“ ist relativ einfach: Es genügen zwei Glasscheiben, bei denen die einander zugewandten Seiten mit einer dünnen, transparenten Elektrode bedeckt sind.

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Darauf wird eine hauchfeine Schicht aus Metallo-Polyelektrolyten (MEPE) aufgebracht. Das geht verhältnismäßig simpel durch Eintauchen in eine wässrige MEPE-Lösung. Die Scheiben werden dann aufeinandergelegt und die dazwischen befindliche, störende Luftschicht durch das Einfüllen eines sirupartigen, neutralen Materials verdrängt. Zum Schluss wird das System abgedichtet.

Metall-Ionen sorgen für den Farbwechsel

Wodurch zeichnen sich die Metallo-Polyelektrolyte aus, die solche neuartigen Fenster ermöglichen sollen? Es handelt sich um lange Molekülketten, in denen einzelne organische Bausteine, so genannte Terpyridine, durch Metall-Ionen miteinander verknüpft sind. Die Metall-Ionen sind für die Farbe des Materials verantwortlich und lassen sich elektrisch schalten. Wenn sie Elektronen aufnehmen oder abgeben, entsteht oder verblasst die Farbe; die Änderungen sind umkehrbar. Geben zum Beispiel zweiwertige Eisen-Ionen Elektronen ab, wird Blau zu Farblos. Andere Metall-Ionen sorgen für andere Farben: Mit Cobalt ergibt sich ein rötlicher, mit Nickel ein orangefarbener Ton.

Farbe und Transparenz der Fenster lassen sich verändern, indem man die Metallo-Polyelektrolyte über die Elektrode mit niedrigen Spannungen von 1 bis 1,5 Volt schaltet. Einfache Batterien genügen dafür. Dank der speziellen Eigenschaften der MEPE kann die Grundfarbe der Verglasung variiert werden. Es

ist auch möglich, in einem Fenster verschiedene Metall-Ionen einzusetzen und so mehrere Farben durchzuschalten. „Mal rot, mal blau – das wäre zum Beispiel für Firmen interessant, die auf den Glasflächen ihres Gebäudes Werbebotschaften transportieren wollen“, sagt Kurth.

Demonstrations-Fenster in zwei Jahren

Die Arbeitsgruppe des Professors synthetisiert die Metallo- Polyelektrolyte, die Kooperationspartner analysieren sie: Welche Kombinationen mit welchen Metall-Ionen eignen sich am besten? Wie erfolgt im Fenster der Elektronentransfer von der Elektrode in die metallorganische Schicht? Was genau passiert in den MEPES, wenn sie elektrisch geschaltet werden?

Solche grundlegenden Untersuchungen sind nötig, um das System der „Smart Windows“ genau zu verstehen. Nur dann lassen sich ihnen optimale Tönungseigenschaften, eine lange Lebensdauer, kurze Schaltzeiten und andere Eigenschaften verleihen. Ziel der Wissenschaftler: Nach zwei Jahren wollen sie

ein Demonstrations-Fenster realisiert haben, an dem zum Beispiel Interessenten aus der Industrie die Vorzüge der Technik sehen können.

(Universität Würzburg, 08.11.2010 – NPO)

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