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Physik

Atome gleichzeitig an verschiedenen Orten

Physiker bestätigen quantenmechanische Gesetze für einzelne Atome

Atome folgen den Gesetzen der Quantenmechanik, mit manchmal bizarr erscheinenden Folgen. © iStock.com

Quantengesetze auch für Atome: Physiker haben quantenmechanische Überlagerungszustände an Caesium-Atomen experimentell nachgewiesen. Die Atome befinden sich in einem solchen Zustand an mehreren Orten gleichzeitig. Ob dieses Phänomen der Quantenwelt nur für Elementarteilchen oder auch für größere Objekte gelten, war bislang ungeklärt – mit ihrem Ergebnis kommen die Physiker der Antwort jedoch einen großen Schritt näher, wie sie im Fachjournal „Physical Review X“ schreiben.

Die Theorien der Quantenmechanik ermöglichen manche bizarr erscheinende Dinge: Sehr kleine Objekte wie zum Beispiel Elektronen oder Photonen können demnach an mehreren Orten gleichzeitig sein. Physiker sprechen von einer Überlagerung unterschiedlicher Pfade: Anstatt einer fest definierten Bahn zu folgen, fliegt das Teilchen gleichzeitig auf allen möglichen Bahnen.

Dies ist oft schwer nachvollziehbar: Auf die für uns sichtbare Welt übertragen hieße das beispielsweise, ein Fußball könnte gleichzeitig im Tor und im Aus landen. Unsere alltäglichen Beobachtungen sagen uns, dass das nicht der Fall ist. Gleichzeitig bestätigen aber zahlreiche physikalische Experimente die Gesetze der Quantenmechanik auf atomarer Ebene. Wie passt das zusammen?

Beobachtung stört das Messergebnis

„Es gibt dafür zwei unterschiedliche Erklärungsansätze“, erläutert Andrea Alberti von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. Nach der Standardquantenmechanik seien Überlagerungszustände prinzipiell auch für beliebig große Gegenstände möglich, also auch für Fußbälle. Diese Zustände sind jedoch sehr instabil: „Jeder Versuch, den Ort eines Quantenobjekts zu bestimmen, zerstört die Überlagerung,“ so der Physiker weiter. Allein dadurch, dass wir den Ball mit den Augen verfolgen, „entscheidet“ er sich demnach für eine Flugbahn.

Eine andere Theorie geht davon aus, dass für größere Gegenstände wie Fußbälle generell andere physikalische Regeln gelten als quantenmechanische Objekte. Nach der sogenannten makrorealistischen Weltanschauung bewege sich ein Fußball stets auf einer festgelegten Flugbahn, „unabhängig davon, ob wir ihn beobachten oder nicht“, führt Alberti aus.

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Indirekte Messmethode: In einer der Kisten ist eine Katze (a). Wird die leere Kiste überprüft, muss die Katze in der anderen Kiste sein (b). Wird die Katze direkt entdeckt, wird sie gestört. © Andrea Alberti / www.warrenphotographic.co.uk

Messen ohne zu stören

Um zu überprüfen, welche dieser Theorien stimmt, haben Alberti und seine Kollegen eine neue Messmethode entwickelt: Mit zwei „Pinzetten“ aus Licht ergriffen sie ein einzelnes Caesium-Atom und zogen es in zwei entgegengesetzte Richtungen. In der makrorealistischen Welt hätte sich das Atom danach an einem einzigen definierten Ort befunden. In der Quantenwelt hätte es dagegen einen Überlagerungszustand aus zwei örtlichen Positionen eingenommen.

Entscheidend ist nun, ob dieser Zustand tatsächlich existiert und erst bei der Messung zusammenbricht. Dies bestimmten die Wissenschaftler mit einer indirekten Methode, die sie in einem Vergleich erklären: In einer von zwei Kisten befindet sich eine Katze. Hebt man den Deckel der einen Kiste an und findet sie leer, so muss die Katze in der anderen Kiste sein – die Katze ist damit indirekt nachgewiesen. Findet man dagegen zufällig die Katze direkt, so wird die Messung verworfen, weil die Katze gestört wurde.

In der makrorealistischen Welt funktioniert dieses Verfahren absolut störungsfrei. In der Quantenwelt jedoch zerstört auch schon der indirekte Nachweis den Überlagerungszustand und ändert damit den Ausgang des Experiments. Die Katze fühlt sich sozusagen schon gestört, wenn der Deckel der anderen Kiste angehoben wird.

Rückschlag für die makrorealistische Theorie?

Letzteres ist auch der Fall, den die Physiker um Alberti mit dem gefangenen Caesium-Atom beobachten. Ihre Beobachtungen stimmen sehr gut mit der Existenz von Überlagerungszuständen überein, die durch die Messung zerstört wurden. Die Forscher konnten damit ausschließen, dass Caesiumatome der makrorealistischen Theorie folgen: Stattdessen befinden sie sich offenbar tatsächlich an verschiedenen Orten gleichzeitig.

„Das ist natürlich noch kein Beweis, dass das auch für größere Objekte gilt“, betont Alberti. „Wir versuchen nun aber, das Caesium-Atom über mehrere Millimeter auseinanderzuziehen.“ Zukünftig sollen damit auch Messungen an noch deutlich größeren und schwereren Objekten mit der Masse mehrerer Atome möglich sein. „Sollten unter diesen Bedingungen immer noch Überlagerungszustände existieren, wäre das für die makrorealistische Theorie ein großer Rückschlag.“ (Physical Review X, 2015; (doi: 10.1103/PhysRevX.5.011003)

(Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 21.01.2015 – AKR)

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