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Physik

Atome eingespannt und ausgebremst

Laserexperiment schafft Voraussetzung für „verteilte“ Quantencomputer

Kühlung von Atomen im Resonator © Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Mit der „quasipermanenten“ Speicherung eines Atoms zwischen zwei Spiegeln haben deutsche Forscher jetzt die Voraussetzung für Quantencomputer geschaffen, die nicht an einem Ort, sondern „verteilt“ auf mehrere Atomsysteme arbeiten. Die eingefangenen Atome speichern die Quantenbits, während die von ihnen ausgesandten Photonen der Durchführung von Rechenoperationen dienen.

Die kleinsten Informationseinheiten eines Quantencomputers sind so genannte Quantenbits, die durch Atome oder Moleküle realisiert werden könnten, vorausgesetzt, man kann deren Position, Quantenzustände sowie Wechselwirkung mit anderen Teilchen nach Belieben manipulieren. Einzelne Atome in einem optischen Resonator so zu kontrollieren, ist nun ein Forscherteam um Professor Gerhard Rempe am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München einen entscheidenden Schritt näher gekommen. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Nature Physics“ berichten, gelang es ihnen, einzelne Rubidiumatome mit einer ausgeklügelten Anordnung von Lasern in einem optischen Resonator in allen Bewegungsrichtungen zu kühlen und dort im Durchschnitt 17 Sekunden lang zu halten. Das ist die bei weitem längste Speicherzeit, die bisher in stark gekoppelten Atom-Resonator-Systemen erreicht wurde.

Laserfalle für Atome

Neutrale Atome einzufangen, abzukühlen und zu speichern, erfordert eine ausgeklügelte Vorgehensweise. Am Beginn steht die nun schon fast klassische Laserkühlung in einer „magnetooptischen Falle“. Hier werden die Atome aus sechs Richtungen mit Laserstrahlen beschossen, deren Frequenz etwas unterhalb der Anregungsenergie liegt. Auf diese Weise absorbieren die Teilchen immer dann Licht, wenn sie sich auf den Strahl zu bewegen und werden dabei in dieser Richtung abgebremst. Auf ein einzelnes Atom oder Molekül angewandt bedeutet der Begriff Abkühlung, dass dem Teilchen immer mehr Bewegungsenergie entzogen wird.

In dem Experiment am Max-Planck-Institut für Quantenoptik werden Rubidiumatome auf diese Weise präpariert und anschließend im elektromagnetischen Feld eines Laserstrahls, einer so genannten „Lichtfalle“, über eine Strecke von 14 Millimetern in einen optischen Resonator geleitet, der aus zwei sich gegenüber stehenden Hohlspiegeln höchster Qualität gebildet wird. Sobald sich die Atome zwischen den Spiegeln befinden, ändern die Wissenschaftler die Geometrie der Lichtfalle, indem sie den Laserstrahl in sich zurückspiegeln. Dadurch bildet sich eine stehende Lichtwelle, in deren Bäuchen die Atome festgehalten werden. Zusätzlich werden die Atome von zwei gegeneinander laufenden Lasern, die unter einem Winkel von 45 Grad zur stehenden Welle und senkrecht zur Resonatorachse verlaufen, bestrahlt.

Gekoppelte Kühlsysteme

In dieser speziellen Anordnung wirken mehrere Kühlmechanismen: Atom, Resonator und Lichtfalle bilden ein hochgradig gekoppeltes System, in dem ein angeregtes Atom Photonen bevorzugt in Richtung der Resonatorachse emittiert. Dadurch baut sich zwischen den Spiegeln ein Lichtfeld auf, das extrem stark von der Position des Atoms abhängt. Denn die Lage des Atoms bestimmt sowohl die Stärke seiner Kopplung an den Resonator als auch die exakte Frequenz des atomaren Übergangs.

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Kühleffekte treten insbesondere dann auf, wenn die Frequenz des Resonators etwas größer ist als die Frequenz des anregenden Lasers. In diesem Fall sendet das Atom Photonen höherer Energie aus, und zwar bevorzugt in Bewegungsrichtung. Es erhält dabei einen Rückstoß und wird entlang der Resonatorachse langsamer. Die Absorption von Photonen erfolgt dagegen vor allem dann, wenn das Atom den Laserstrahlen entgegenläuft. Dies führt zu einer Abbremsung in Laserrichtung. Weitere Bremskräfte wirken entlang der Lichtfalle. Sie werden zum einen dadurch hervorgerufen, dass das Lichtfeld im Resonator verzögert auf die Bewegung des Atoms reagiert. Zum anderen ergeben sie sich daraus, dass die Verschiebung der Energieniveaus in den Bäuchen der stehenden Welle stärker ist als in den Knoten.

Photonenzählen als Nachweis

Zum Nachweis eines Atoms und der Bestimmung seiner Verweildauer werden die von ihm in den Resonator gestreuten Photonen gezählt. Wenige Millisekunden nach Einschalten der „Lichtfalle“ schnellt die Zählrate hoch, denn ein Atom, das gerade in den Raum zwischen den Spiegeln gelangt, ist anfangs relativ „heiß“. Innerhalb von etwa 100 Mikrosekunden stellt sich ein Gleichgewichtszustand ein und das Atom erreicht seine endgültige Temperatur, etwa sechs Millionstel Kelvin über dem absoluten Temperaturnullpunkt. Es streut nur noch wenig Licht, aber mit einer konstanten Rate.

Systematisch untersuchten die Wissenschaftler, wie sich die unterschiedlichen Kühlkräfte auf die Speicherzeiten der Atome auswirken. Atome ohne Kühlung werden im Mittel nur 2,7 Sekunden lang gehalten, während ein Sisyphus-gekühltes Atom 17 Sekunden lang im Resonator bleibt. Wählt man geeignete Frequenzen von Resonator und anregendem Laser, verlängert sich die Lebensdauer der gespeicherten Atome auf das Vierfache. Damit sollte es sogar möglich sein, ein einzelnes Atom länger als eine Minute an einen optischen Resonator zu koppeln.

Voraussetzung für Quantencomputer

Durch den Trick, verschiedene in unterschiedlichen Richtungen wirkende Kühlverfahren zu kombinieren, waren die Forscher in der Lage, im Zentrum eines optischen Resonators eine genau bekannte Zahl von Atomen zu präparieren. Die im Durchschnitt erzielten Speicherzeiten von mehr als 15 Sekunden erlauben Experimente, in denen die Wechselwirkung einzelner Atome mit einzelnen Photonen kontrolliert werden kann.

Dies ist zum Beispiel die Voraussetzung für die Verschränkung, Kopplung und Übertragung (Teleportation) von Quantenzuständen zwischen weit entfernten Atomen mit Hilfe von Photonen. Somit ist die Verwirklichung eines verteilten Quantencomputers in greifbare Nähe gerückt, der aus mehreren stark gekoppelten Atom-Resonator-Systemen besteht. Die eingefangenen Atome speichern die Quantenbits, während die von ihnen ausgesandten Photonen der Durchführung von Rechenoperationen dienen.

(MPG, 11.10.2005 – NPO)

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