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Biotechnologie

Aprikosenkerne mit bitterem Beigeschmack

Forscher entwickeln Biosensor zum Nachweis von Bittermandel-Gift

Alexander Schiller betrachtet in einem Labor Mandelkerne. Der Chemiker von der Uni Jena hat einen Biosensor zum Nachweis von Amygdalin entwickelt. © Foto: Jan-Peter Kasper/FSU

Bittere Pille: Angeblich sollen bittere Aprikosen- und Mandelkerne gegen Krebs helfen. Der Inhaltsstoff Amygdalin setzt bei der Verdauung jedoch hochgiftige Blausäure frei, so dass eine übermäßige Einnahme von bitteren Aprikosen- oder Mandelkernen zu Vergiftungserscheinungen führen kann. Bisher gab es nur aufwendige Analyseverfahren – mit einem von Forschern aus Jena neu entwickelten Sensor ist es nun möglich, Amygdalin schnell und unkompliziert nachzuweisen. Dieses System präsentierten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Chemistry – A European Journal“.

Keine Therapeutische Wirkung von Amygdalin bekannt

Vitalkraft aus der Natur, Bioaktivstoff, Heilmittel gegen Krebs – mit solchen und ähnlichen Begriffen werden bittere Aprikosen- und Mandelkerne vor allem im Internet beworben und zum Verkauf angeboten. Dabei ist ihre Heilkraft umstritten und ihr Verzehr durchaus problematisch: „Mir ist keine wissenschaftliche Studie bekannt, die eine therapeutische Wirkung von bitteren Aprikosenkernen oder bitteren Mandelkernen eindeutig belegt“, sagt Alexander Schiller von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Im Gegenteil: Bei übermäßigem Verzehr können Vergiftungserscheinungen von Erbrechen, starken Krämpfen bis hin zu Bewusstlosigkeit auftreten“, so der Chemiker.

Der entscheidende Inhaltsstoff ist Amygdalin, oft auch irreführend und fälschlicherweise als Vitamin B17 oder Laetril bezeichnet. Bei der Verdauung von Amygdalin entsteht hochgiftige Blausäure, auch Cyanid genannt. Chemisch gesehen besteht Amygdalin aus zwei Einheiten des Zuckers Glukose, verknüpft mit der so genannten Cyanhydrin-Funktion eines Benzaldehyds. Wasser und das Enzym Beta-Glucosidase, das natürlicherweise im menschlichen Körper vorkommt, brechen die stabile Verbindung auf: Der Zuckeranteil wird abgespalten und das freigewordene Cyanhydrin zerfällt spontan in Benzaldehyd und das giftige Cyanid. Diese beiden Stoffe sind auch hauptverantwortlich für das typische Bittermandelaroma, den Duft von Marzipan oder Amaretto.

Fatale Folgen bei übermäßiger Einnahme

Bittere Aprikosenkerne – genau wie Bittermandelkerne – enthalten bis zu acht Prozent Amygdalin. Das entspricht etwa fünf Milligramm Cyanid in einem einzigen Aprikosenkern – eine Menge, die bereits – je nach Körpergewicht – Vergiftungserscheinungen hervorrufen kann. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt daher, maximal ein bis zwei Kerne pro Tag zu verzehren oder ganz darauf zu verzichten. „Für Kinder ist die unbedenkliche Tagesdosis noch geringer, denn für sie ist Amygdalin besonders gefährlich“, betont Alexander Schiller und warnt vor den möglicherweise fatalen Folgen der übermäßigen Einnahme von bitteren Aprikosenkernen. Der Verzehr von fünf bis zehn Bittermandeln kann für Kinder bereits tödlich sein.

Ein einwandfreier Nachweis dieses Gifts ist notwendig für die Lebensmittelsicherheit. Bisher gab es jedoch nur sehr aufwändige Verfahren zur Analyse von Amygdalin. Ein Wissenschaftlerteam um Alexander Schiller von der Uni Jena hat nun einen Biosensor entwickelt, mit dem Amygdalin in wässriger Lösung unkompliziert nachgewiesen werden kann. Der Sensor basiert auf einem speziellen Boronsäure-Rezeptor, der das giftige Cyanid-Ion bindet und mithilfe eines fluoreszierenden Farbstoffes sichtbar macht.

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Cyanid bringt Sensor zum Leuchten

Dabei machen die Forscher sich genau die chemische Reaktion der Verdauung zunutze. Sie fügten ihren Proben das Enzym hinzu und führten die Abspaltung von Cyanid gezielt herbei. „Der Clou ist, dass wir für den Nachweis von Amygdalin von dem Prozess profitieren, der den Stoff so giftig macht“, erklärt Alexander Schiller. „Der Sensor beginnt demnach erst dann zu leuchten, sobald das Cyanid freigesetzt ist“, so der Jenaer Juniorprofessor weiter. Die Konzentration an Cyanid ist bei der Analyse so winzig, dass keine Vergiftungsgefahr besteht.

Damit sei das System potenziell als Schnelltest geeignet, um den Amygdalin-Gehalt in den im Handel erhältlichen Fruchtkernen zu messen, schreiben die Forscher. Der Biosensor ist bisher nur für wissenschaftliche Labortests geeignet. Dennoch ist die Entwicklung der Jenaer Wissenschaftler gerade vor diesem Hintergrund nicht nur ein ausgeklügeltes chemisches System – sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Lebensmittelsicherheit.

(Chemistry – European Journal, 2013; doi: 10.1002/chem.201302801)

(Friedrich-Schiller-Universität Jena, 31.10.2013 – AKR)

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