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Biologie

Ameisen rationaler als Menschen?

Entscheidungen mit konsistenten Präferenzen

Ameisen der Art Temnothorax curvispinosus im Labor © Arizona State University

Ameisen erledigen bestimmte Aufgaben möglicherweise rationaler als wir vernunftbegabten Menschen. Klingt paradox? Vielleicht. Aber wie amerikanische Forscher festgestellt haben, sind die Ameisen zum Beispiel bei der Wahl eines Nestes in ihren Präferenzen sehr konsistent – auch deshalb, weil das Einzeltier wenig „ablenkende“ Informationen besitzt. Für die Robotik könnte diese in der Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society: Biological“ veöffentlichte Studie ein wichtiger Ansatzpunkt sein.

Menschen sind intelligenter als Ameisen – das ist unbestritten. Es gibt aber möglicherweise Bereiche, in denen auch die Ameise sich gar nicht so dumm anstellt – jedenfalls dann, wenn es um möglichst rationale Entscheidungen geht. Menschen und auch die meisten höheren Tiere lassen sich in einer Entscheidungssituation nicht immer von reiner Logik oder immer dem gleichen Satz von Kriterien leiten, sondern ertappen sich auch mal bei irrationalem Verhalten. Ameisen scheinen dafür jedoch deutlich weniger anfällig zu sein.

Das jedenfalls stellten Wissenschaftler der Arizona State Universität und der Princeton Universität fest, als sie das Verhalten der amerikanischen Ameisenart Temnothorax curvispinosus näher untersuchten. Diese Ameisen bauen ihre Nester in den winzigen Höhlungen von ausgehöhlten Eicheln oder Hickory-Nüssen und müssen demnach auch relativ häufig nach neuen Behausungen suchen.

Wie kommen Entscheidungen zustande?

Die Herausforderung der richtigen Entscheidung beginnt dann, wenn die Ameisen – wie im Versuch von Stephen Pratt und Susan Edwards – zwei potenzielle Nester mit sehr ähnlichen Vorteilen vorfinden. Wie wird dann das Nest gewählt? Entscheiden sie sich mal so mal, nach dem Zufallsprinzip? Oder ist die Entscheidung rational im Sinne von klaren, reproduzierbaren „Regeln?

„Mit Rationalität ist in diesem Fall gemeint, dass ein Entscheider, der etwas optimieren will, einfach in seinen Präferenzen konsistent sein sollte“, erklärt Pratt. „Tiere, die ihre Fitness maximieren wollen, sollten ihre Optionen immer nach deren Beitrag zur Fitness klassifizieren, ob es sich dabei um Nahrungsquellen, Partner oder Nestorte handelt. Es wäre dann einfach irrational, am Dienstag A gegenüber B zu bevorzugen am Mittwoch aber B gegenüber A, wenn sich die Beiträge zur Fitness nicht geändert haben.“

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Beschränkung der Einzelnen ergibt „Weisheit der Masse“

Wie aber halten es nun die Ameisen? Es zeigte sich, dass ihre Entscheidungen sehr akkurat, im Sinne von immer den gleichen Präferenzen folgend, waren – in vieler Hinsicht sogar damit rationaler als viele unserer menschlichen Entscheidungen. Eine wichtige Rolle dabei spielt nach Ansicht der Forscher die Verbindung von Einzeltieren mit sehr beschränkten Wahlmöglichkeiten und dem Kollektiv als Gesamtheit dieser Einzelentscheidungen. Diese Kombination führe zu einer Art „Weisheit der Masse“.

„Dieses paradoxe Ergebnis basiert auf einer scheinbaren Begrenzung: Die einzelnen Ameisen kennen meist nur eine einzige Option, und die Wahl des gesamten Kollektivs des Ameisenvolks entsteht aus letztlich selbstorganisiert aus den Interaktionen vieler wenig informierter Ameisen“, so Pratt. „Typischerweise glauben wir, dass möglichst viele individuelle Optionen, Strategien und Herangehensweise von Vorteil sind“, so der Forscher. „Aber irrationale Fehler tauchen dann wahrscheinlicher auf.“

Anregung für KI und Robotik

Diese Erkenntnis über die „Rationalität“ der Ameisen könnte auch der Robotik und der Forschung an künstlicher Intelligenz wichtige neue Ansatzpunkte liefern.

„Eine Idee in kollektiver Robotik ist es, dass die einzelnen Roboter relativ einfach und naiv sein können, aber dass man trotzdem ein komplexes, intelligentes Ergebnis der gesamten Gruppe erhält“, erklärt Pratt, der Mitglied des „Heterogeneous Unmanned Networked Team“ (HUNT) ist, einem Projekt, in dem Lösungen aus der Biologie die Inspiration für Ingenieursprobleme liefern sollen. „Die Fähigkeit, ohne komplexe zentrale Kontrolle zu funktionieren ist in einem künstlichen System durchaus erstrebenswert.“ Entsprechend nützlich ist die Erkenntnis, dass sich auch in der Natur Beschränkungen auf individuellem Niveau durchaus positiv für die Gruppe als Ganzes auswirken können.

(Arizona State University, 28.07.2009 – NPO)

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