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Geowissen

Alpen unter antarktischem Eis

Gamburtsev-Berge als Keimzelle der antarktischen Vereisung

Perspektivansicht der subglazialen Topographie von Dome A. Der Abstand zwischen den dicken schwarzen Linien beträgt 500 Höhenmeter. © Sun Bo et al. / Nature

Tief unter dem antarktischen Eis liegt ein ganzes Gebirge begraben. Dieses ähnelt in seiner Topographie verblüffend den Alpen, wie eine neue „Nature“-Studie enthüllt. Die Radarmessungen zeigen tief eingegrabene Täler, die auf die Erosion durch Flüsse und später durch Gletscher hindeuten. Die Vereisung des antarktischen Kontinents vor 34 Millionen Jahren nahm möglicherweise genau dort ihren Anfang.

Dome A ist einer der unwirtlichsten und kältesten Orte unseres Planeten: Das Gebiet auf der Hochebene in der Ostantarktis befindet sich mehr als 4.000 Meter über dem Meeresspiegel, die Jahresdurchschnittstemperatur liegt hier bei frostigen minus 58,4°C. Doch unter dem zwischen 1.600 und 3.100 Meter dicken Eispanzer verbirgt sich eine andere Welt: Die Gamburtsev-Berge. Die Spitzen der unter dem Eis liegenden Gebirgskette wurden bereits 1958 vom russischen Geophysiker Grigoriy Gamburtsev entdeckt, bisher war ihre Topographie und Entstehung jedoch nur in Teilen bekannt.

Blick unters Eis per Radarschlitten

Jetzt hat eine chinesisch-britische Forschergruppe mithilfe mühsamer Bodenradarmessungen erstmals die genaue Topographie der Gamburtsev-Berge erkundet. Mit den Daten erhofften sich die Wissenschaftler nicht nur einen Wissenszuwachs in geographischer Hinsicht, sondern auch Aufschluss über den Beginn der antarktischen Vereisung, die vor rund 34 Millionen Jahren startete. Denn noch war unbekannt, wo die Gletscher ihren Ausgang nahmen. „Unser Mangel an Wissen über die heutige Topographie der Gamburtsev-Berge bedeutet auch, dass uns die Natur der frühen Vereisung und die anschließende Entwicklung des kontinentgroßen Eispanzers unklar ist“, erklären die Autoren in ihrem „Nature“-Artikel.

In mehreren Expeditionen in den Jahren 2004/5 und 2007/8 zogen die Wissenschaftler Schlitten mit Radargeräten über das Eis und vermaßen so ein 30 mal 30 Kilometer großes Areal, den Dome A. Die jetzt veröffentlichte Auswertung der Radardaten ergab eine Landschaft, die den europäischen Alpen erstaunlich ähnelt: Zwischen den aufragenden Bergspitzen sind tief eingeschnittene Täler zu erkennen, die teilweise deutlich auf die Erosionswirkung von früheren Flüssen zurückgehen. Andere sind breiter und deuten auf die abschürfende Kraft von Gletschern hin.

Lage der Gamburtsev-Berge © Sun Bo et al. / Nature

Alpen-Landschaft unter dem Eis konserviert

„Die Daten enthüllen eine klassisch alpine Topographie mit vorexistierenden Flusstälern, die durch Talgletscher vertieft wurden, die sich bildeten, als die Durchschnittstemperatur bei rund 3°C lag“, so die Autoren um Sun Bo und Martin Siegert. „Diese Landschaft hat sich wahrscheinlich während der Anfangsphasen der antarktischen Vereisung gebildet.“ Das Gebirge existierte vermutlich schon vor 34 Millionen Jahren, bei Beginn der kalten Phase.

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Gebirge als Ursprung der Vereisung?

Die Forscher postulieren, dass die aufragenden Gipfel der Gamburtsev-Berge möglicherweise eine Art „Keimzelle“ für die Vergletscherung und das Wachstum des gesamten Eispanzers darstellten. Das immer dicker werdende Eis begrub so allmählich das Gebirge und später den gesamten Kontinent unter sich. „Die Landschaft ist höchstwahrscheinlich 14 Millionen Jahre lang unter dem heutigen Eispanzer nahezu unverändert konserviert worden“, so die Forscher.

(Nature, 04.06.2009 – DLO)

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