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Technik

Alkoholtest per Klebe-Tattoo

Sensor-Pflaster misst Promillewert schnell und verlässlich über Alkohol im Schweiß

Ein Sensor-Pflaster könnte uns künftig verraten, wie hoch unser Alkoholpegel ist. © DAJ/ iStock.com

Pflaster statt Pusten: Wie viel Alkohol habe ich schon intus? Die Antwort könnte künftig ein simples Sensorpflaster geben – und das in Minutenschnelle. Auf die Haut geklebt, registriert es selbst kleinste Spuren von Alkohol in unserem Schweiß. Der Blick aufs mit dem Klebe-Tattoo synchronisierte Handy verrät dann noch vor Ende der Party, wann wir besser kein weiteres Bier mehr trinken sollten – und ob wir noch fahrtauglich sind.

Dank immer kleinerer und flexiblerer Elektronik-Bauteile haben Forscher in den letzten Jahren schon mehrere Sensoren in Pflasterform entwickelt. Die intelligenten Klebe-Tattoos messen unsere Körpertemperatur, warnen uns vor Austrocknung und messen und kontrollieren unseren Blutzuckerspiegel. Sogar unseren Schweiß als Energielieferant können die dünnen Pflaster bereits nutzen.

Misst Alkohol im Schweiß

Jetzt haben Joseph Wang und seine Kollegen von der University of California in San Diego das Spektrum der Sensorpflaster um eine weitere praktische Anwendung erweitert: den Alkoholtest mittels Sensor-Tattoo. Ihre Erfindung nutzt die Tatsache aus, dass der Alkohol in unserem Blut auch in den Schweiß übertritt. Aus den winzigen Mengen des Alkohols im Schweiß lässt sich daher der Alkoholspiegel ermitteln.

Das Sensor-Pflaster nutzt für den Alkoholnachweis eine raffinierte Kombination von Chemie und Elektronik. Im ersten Schritt bringt das Pflaster die Haut dazu, zu schwitzen. Dies erreicht es, indem es durch einen leichte Stromreiz den schweißtreibenden Wirkstoff Pilocarpin in die Haut bringt. Beginnt die Haut zu schwitzen, reagiert ein spezielles Enzym im Pflaster auf kleinste Mengen Alkohol im Schweiß. Diese elektrochemische Reaktion wiederum erzeugt ein Signal in den Messelektroden.

Kleinste Mengen erkannt

Wie genau und verlässlich das Sensor-Pflaster arbeitet, testeten die Forscher zunächst an Alkohollösungen unterschiedlicher Konzentrationen. Dabei zeigte sich: Der Sensor registriert zuverlässig selbst geringste Mengen Alkohol und reagiert linear auf eine steigende Dosis. Biegetests ergaben zudem, dass das Klebe-Tattoo trotz sensibler Elektronik selbst ein mehrfaches Verbiegen um 90 Grad problemlos aushält.

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Das Pflaster regt erst die Schweißbildung an, dann misst es im Hautschweiß den Alkohol und übermittelt die Werte drahtlos ans Handy. © Wang et al./ACS Sensors

Dann folgte der Test unter Realbedingungen – am Menschen. Neun Probanden bekamen das Sensor-Pflaster auf ihrem Unterarm geklebt und durften dann zum Wohle der Wissenschaft unterschiedliche Mengen an Bier oder Wein trinken. Etwa zehn Minuten später war der Alkohol ins Blut übergegangen und die Messung konnte beginnen.

Funktioniert auch unter Alltagsbedingungen

Das Ergebnis: Das Sensor-Pflaster funktionierte bestens. Vor dem Trinken aufgeklebt, übermittelte es wie erwartet einen Blutalkoholwert von 0,0 Promille an den drahtlos mit ihm verbundenen Rechner. Nach dem ersten Glas Wein und Bier ermittelte es bereits einen erhöhten Promillewert, der dann nach dem zweiten Glas weiter anstieg. Die Werte entsprachen dabei ziemlich genau denen, die die Forscher direkt am Blut der Probanden maßen.

„Das tattoo-basierte Biosensor-System liefert damit verlässliche Informationen über die Alkoholwerte auch unter Alltagsbedingungen“, konstatieren Wang und seine Kollegen. Dabei sei es sogar präziser und verlässlicher als der klassische Pustetest, bei dem Alkohol im Atem gemessen wird. Denn dieser kann nach Gebrauch von Mundwasser oder durch Dämpfe in der Umgebungsluft falsche Werte anzeigen. Das Pflaster dagegen ist dafür weniger empfindlich, weil es direkt auf der Haut sitzt.

Vielseitig einsetzbar

Nach Ansicht der Forscher ist das Alkohol-Testpflaster daher eine vielversprechende Alternative. Weil alle Komponenten zudem günstig und leicht herzustellen sind, eignet sich dieses Sensor-Pflaster gut für die Massenanfertigung. Je nach Einsatzzweck kann dabei ein Einmal-Pflaster oder ein mehrfach verwendbares System produziert werden.

„Einmal-Klebe-Tattoos könnte beispielsweise von Barkeepern oder Barbesuchern genutzt werden, um zu erkennen, wer bereits zu viel Alkohol intus hat – und so betrunkenes Autofahren verhindern“, sagen Wang und seine Kollegen. Ein mehrfach verwendbares System könnte fest im Auto eingebaut werden und bei einem zu hohen Promillewert die Zündung blockieren. Künftig könnte zudem die Anzahl der detektierbaren Chemikalien noch erweitert werden, wie die Forscher erklären. Das würde dann noch weitere Anwendungen ermöglichen. (ACS Sensors, 2016; doi: 10.1021/acssensors.6b00356)

(American Chemical Society, 23.09.2016 – NPO)

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