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Mathematik

Algorithmus entwirrt komplexe Netzwerke

Rechenschema anwendbar auf soziale, wirtschaftliche und naturwissenchaftliche Netze

Vernetzte Systeme © PNNL

Physiker der Universität Bremen haben einen neuen Algorithmus entwickelt, mit dem es möglich ist, komplexe Netzwerkstrukturen in Naturwissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu untersuchen. Es ist der erste Algorithmus, der es erlaubt, partiell Überschneidungen zwischen Gruppen zu detektieren. Die Anwendungen reichen vom Abbilden von Gruppen in sozialen und Kommunikationsnetzwerken, über die Analyse von Marktdaten und Käuferverhalten bis hinein in die Biologie.

Bremen besteht – wie jede andere Stadt – aus einem sehr komplexen sozialen Netzwerk von Gruppen. Diese Gruppen wiederum haben unterschiedlich stark ausgeprägte Kontakte mit partiellen Überschneidungen. Es existiert also eine übergeordnete Organisationsstruktur, die nur mit extrem hohem empirischen Untersuchungsaufwand abgebildet werden kann. Selbst kluge Köpfe aus Mathematik oder Philosophie, die sich theoretisch mit dem Abbilden städtischer Sozialnetzwerkstrukturen beschäftigen, stehen vor großen,

Nahezu unlösbaren kombinatorischen Problemen, um diese Struktur optimal zu erfassen.

Doch jetzt ist es dem Uni-Team des Bremer Physikers Professor Stefan Bornholdt gelungen, das Problem zu lösen: Mithilfe eines neu entwickelten Algorithmus ist es möglich, nicht nur die oben beschriebene Gruppenstruktur, sondern auch die partiellen Überschneidungen zwischen verschiedenen Gruppen zu charakterisieren.

Rechenschema skalierbar auf unterschiedliche Gruppengrößen

Die Wissenschaftler der Universität Bremen nutzen für ihr neues „Rechenschema“ eine Analogie zur statistischen Physik magnetischer Materialien. Sie erkannten, dass das kombinatorische Optimierungsproblem für das Netzwerk der Stadt und das Problem, den niedrigsten Energiezustandes eines magnetischen Materials aufzufinden, gleich war. Für das Lösen des letzteren Problems existieren bereits effiziente Methoden aus der statistischen Physik, die auch eine schnelle Lösung sicherstellen.

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Auf der Grundlage dieses Wissens und der Analogie-Erkenntnis entwickelten die Bremer Physiker Stefan Bornholdt und Jörg Reichardt den neuen Algorithmus mit der Besonderheit des Skalierens. Durch diese Skalierbarkeit eignet er sich nämlich zum Abbilden für Netzwerke von beliebiger Größe und beliebigen Überlappungen. Die Anwendungen für den neuen Algorithmus sind vielfältig: Sie reichen vom Auffinden von Gruppen in sozialen und Kommunikationsnetzen, über die Analyse von Marktdaten und Käuferverhalten bis hinein in die Biologie. So kann (auch) an Antworten auf Fragestellungen gearbeitet werden, die für das Begreifen gesellschaftlicher Realität von Bedeutung sind.

Auch auf Biochemie anwendbar

Wie sehen Anwendungen beispielsweise in der Biologie aus? Dazu ein komplexes Problem aus der Biochemie: Proteine sind für das Leben von essentieller Bedeutung. Um ihre biologische Funktion erfüllen zu können, müssen die aus bis zu mehreren hundert Bausteinen zusammengesetzten Makromoleküle sich jedoch in eine bestimmte stabile dreidimensionale Struktur falten. Dabei kann es vorkommen, dass ein Protein sich auch in mehrere verschiedene stabile Strukturen falten kann, um unterschiedliche Funktionen zu erfüllen.

Obwohl schon viel über die fertig gefalteten Proteinstrukturen bekannt ist, ist der genaue Ablauf des Faltungsvorgangs selbst bisher noch weitgehend ungeklärt. Insbesondere die Art und Weise, auf der sich ein bestimmtes Protein von einer Struktur in eine andere faltet, ist noch weitgehend unbekannt. Einen Schritt zur Lösung dieses Problems bietet der Bremer Algorithmus. Dabei wird von einem bestimmten Protein-Faltungsnetzwerk (nach dem Modell von Rao und Caflisch) ausgegangen. Die beiden Biologen simulierten ein Protein nicht bei Körpertemperatur, sondern bei dessen Schmelzpunkt, wodurch alle möglichen Faltungszustände angenommen werden können.

Diese simulierten „Konformationen“ bilden nun ein Netz, in dem die Knoten einen bestimmten Faltungszustand darstellen und die Verbindungen zwischen ihnen die direkte zeitliche Aufeinanderfolge zweier Zustände darstellen. Stabile und metastabile Faltungen lassen sich dann als Gruppen in diesem Netzwerk identifizieren, da zwischen ähnlichen Faltungszuständen mehr Übergänge stattfinden, diese Knoten also untereinander stärker verbunden sind als mit dem Rest des Netzwerks. Knoten, die vom Algorithmus mehreren Gruppen zugeordnet werden, können aufgrund gerade dieser Tatsache als mögliche Übergangszustände identifiziert werden. Damit kommt man dem Ziel, den Vorgang der Proteinfaltung im Detail besser zu verstehen, einen Schritt näher.

(Universität Bremen, 12.11.2004 – NPO)

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