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Geowissen

Adria sitzt auf bisher unbekannter Plattengrenze

Neu entdeckte geologische Verwerfung vor der Küste Kroatiens ist aktiv

Die alte Festung von Dubrovnik liegt genau auf der geologischen Störung. © Richard A. Bennett

Geologen haben unter dem Meeresboden der Adria eine bisher unbekannte geologische Verwerfung entdeckt. An dieser Plattengrenze bewegen sich die Eurasische und die Südadriatische Platte pro Jahr um mehrere Millimeter gegeneinander. Ob das Erdbebenrisiko für diese Region nun neu kalkuliert werden muss, ist allerdings noch unklar, wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Geology“ berichten.

In der Mittelmeerregion treffen die Afrikanische und die Eurasische Kontinentalplatte aufeinander und nehmen dabei die kleine anatolische Platte in die Zange. Afrika bewegt sich nach Norden und schiebt die Anatolische Platte langsam Richtung Westen. Von der anhaltenden geologischen Aktivität zeugen zahlreiche aktive Vulkane, vor allem in Italien, sowie häufige Erdbeben beispielsweise in der Türkei. Der Verlauf der Hauptplattengrenzen ist zwar im Großen und Ganzen geklärt, nicht aber die genauen geologischen Strukturen im östlichen Mittelmeerraum. Gerade die Adria entlang der kroatischen Küste war geologisch gesehen noch ein relativ unbeschriebenes Blatt.

Dieser Region hat sich nun Richard A. Bennett von der Universität von Arizona in Tucson angenommen. Gemeinsam mit kroatischen Geologen nutzte er modernste GPS-Technologien, um die winzigen Bewegungen des Untergrunds in der Adria genau zu erfassen. „Wir befestigen GPS-Antennen auf einem Felsen und überwachen dessen Bewegungen über die Zeit hinweg“, erklärt Bennett. „Im Prinzip sehen wir ihm einfach beim Wandern zu. In Kroatien können wir so noch Bewegungen auf der Ebene von nur einem Millimeter pro Jahr auflösen.“

Neue Verwerfung entdeckt

Die Forscher stellten fest, dass sich die „Ferse“ Italiens mit der Geschwindigkeit von vier Millimetern pro Jahr auf die kroatische Küste zu bewegt. Ein Großteil dieser Bewegung wird von dem Meeresgebiet vor der Küste Dalmatiens und im Dinarischen Gebirge absorbiert.

Doch bei einem näheren Blick in diese Region enthüllten die Daten Überraschendes: Sie zeigten, dass sich unter der Adria eine bisher unbekannte geologische Verwerfung befindet. Sie erstreckt sich von der Stadt Dubrovnik aus mindestens 200 Kilometer weit nach Nordwesten, verborgen im Meeresboden der Adria. An ihrem südlichen Ende ist sie mit einer seismisch sehr aktiven Verwerfung verbunden, die unter anderem für das schwere Erdbeben in Dubrovnik im Jahr 1967 und das des Jahres 1979 in Montenegro verantwortlich war.

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GPS-Station auf der Insel Hvar © Richard A. Bennett

Zwar gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass die neue entdeckte Störung in den letzten 2.000 Jahren schwere Erdbeben verursacht hat. Wenn die Verwerfung jedoch zu einem Typ gehören sollte, der für abrupte Bewegungen und Erdbeben bekannt ist, müssten die Tsunami-Risiken für die Region neu kalkuliert werden. „Das hat Auswirkungen für Süditalien, Kroatien, Montenegro und Albanien“, so Bennett. „Es ist eine Kollisionszone.“

„Schneepflug“ türmt Untergrund auf

An dem neu entdeckten „Riss“ im Untergrund rutscht die Kante der Eurasischen Platte über einen früheren Teil der Afrikanischen Platte, die nun als Südadriatische Mikroplatte abgespalten ist. Bennett vergleicht die Bewegung der Eurasischen Platte mit einem Schneepflug, der den Schnee vor sich anhäuft. Der Schnee entspricht dabei dem Meeresboden, der aufgetürmt wird und die Inseln Dalmatiens bildete sowie das dinarische Gebirge entstehen ließ.

„Es gibt Hinweise auf neue Inseln dort draußen“, so Bennett. Langfristig wird die Adria jedoch vollkommen verschwinden. Wenn die Plattenbewegungen in der bisherigen Form anhalten, werden sich die beiden Küsten der Adria in 50 bis 70 Millionen Jahren treffen, so die Schätzung des Forschers.

Erdbebenrisiko noch unklar

„Diese neue Entdeckung ist ein wichtiges Puzzlestück im Verständnis der Tektonik des Mittelmeeres”, so Bennett. Er und sein Team planen, noch weitere Messantennen auszusetzen, um die Bewegungen entlang der neuen Verwerfung noch genauer zu kartieren. Die dabei gewonnenen Informationen sollen auch dabei helfen, das Erdbebenrisiko der Region besser beurteilen zu können. „Wir möchten sehen, ob die Verwerfung sich frei verschiebt, oder ob sie Spannung aufbaut und daher in der Zukunft ein schweres Erdbeben auslösen könnte“, so der Wissenschaftler.

(University of Arizona, 24.01.2008 – NPO)

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