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Physik

3D-Tarnkappe für sichtbares Licht

Metamaterial manipuliert rotes Licht in drei Dimensionen

Elektronenmikroskopischer Querschnitt der geschichteten Tarnkappenstruktur. © CFN

Physiker haben erstmals eine Tarnkappe konstruiert, die nicht nur Infrarot- oder Mobilfunkwellen umlenkt, sondern auch für den Menschen sichtbares, rotes Licht. Sie ist zudem die erste 3D-Tarnkappe, die einen unter einer Wölbung verborgenen Gegenstand auch bei seitlicher Ansicht „unsichtbar“ machen kann. Die Tarnkappe beruht auf einem Metamaterial, dessen Struktur einem Stapel Holzscheite ähnelt. Anwendung könnte dieses in einer Vielzahl lichtbasierter Technologien finden, wie Linsen, Solarzellen, der Chip-Herstellung und der Datenkommunikation.

Tarnkappen funktionieren, indem Lichtwellen in ihrem Material so gelenkt werden, dass sie die Tarnkappe wieder verlassen, als ob sie nie mit dem zu tarnenden Objekt in Berührung gekommen wären – das Objekt ist somit für den Betrachter unsichtbar. Die exotischen optischen Eigenschaften des Tarnmaterials werden mit komplexen mathematischen Werkzeugen berechnet, die denen der Einsteinschen Relativitätstheorie ähneln. Erreicht werden diese Eigenschaften durch eine spezielle Strukturierung des Tarnmaterials. Sie muss kleiner als die Wellenlänge des Lichts sein, das abgelenkt werden soll.

Tarnkappen für Radar- und Mobilfunkwellen

So kann beispielsweise für die relativ großen Rundfunk- oder Radarwellen ein Material verwendet werden, „das fast mit der Nagelschere produziert werden kann“, erklärt Professor Martin Wegener vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Bereits im vergangenen Jahr präsentierte die Gruppe Wegener in der renommierten Fachzeitschrift Science die erste 3D-Tarnkappe. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es lediglich Tarnkappen in Wellenleitern, die praktisch zweidimensional waren. Sobald man aus der dritten Dimension auf die Struktur schaute, war die Wirkung dahin.

Die Karlsruher Tarnkappe konnte mit einer entsprechend filigranen Strukturierung für einen Wellenlängenbereich von 1.500 bis 2.600 Nanometern konstruiert werden. Dieser Wellenlängenbereich ist für das menschliche Auge noch nicht wahrnehmbar, spielt jedoch in der Telekommunikation eine große Rolle. Den Durchbruch ermöglichte das am CFN entwickelte Verfahren des direkten Laserschreibens (DLS). Mit diesem Verfahren können winzige 3D-Strukturen mit optischen Eigenschaften erzeugt werden, die es in der Natur nicht gibt – sogenannte Metamaterialien. Die KIT-Wissenschaftler verbesserten nun das ohnehin schon extrem feine Verfahren des direkten Laserschreibens weiter.

Aufnahme der Tarnkappenstruktur. Das Polymer-Luft- Metamaterial (die "Holzscheite") ist blau eingefärbt, die mit Gold beschichteten Bereiche sind gelb © CFN

Metamaterial-„Holzscheite“ verbiegen Licht

Damit gelang es ihnen nun, das Metamaterial um einen Faktor zwei zu verfeinern und so die erste 3D-Tarnkappe für unpolarisiertes sichtbares Licht im Bereich von 700 Nanometern zu realisieren. Dies entspricht der Farbe rot. „Würden wir es noch mal schaffen, den Strukturierungsabstand des roten Tarnmantels zu halbieren, hätten wir eine Tarnkappe, die das ganze sichtbare Lichtspektrum abdeckt“, erklärt KIT-Forscher Joachim Fischer.

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Die winzige Tarnkappe ist kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Sie lässt eine Wölbung in einem Metallspiegel flach erscheinen und dadurch ein darunter verstecktes Objekt unsichtbar werden. Das Metamaterial, das über diese Wölbung gelegt wird, sieht wie ein Holzstapel aus, besteht jedoch aus Kunststoff und Luft. Die „Holzscheite“ verfügen über präzise festgelegte Stärken im Bereich von 100 Nanometern. Durch sie werden Lichtwellen, die die Wölbung normalerweise ablenkt, so beeinflusst und geführt, dass das reflektierte Licht dem eines flachen Spiegels entspricht.

„Die nun entwickelte Tarnkappe ist ein attraktives Demonstrationsobjekt für die fantastischen Möglichkeiten, welche das recht neue Gebiet der Transformationsoptik und ihrer Metamaterialien offeriert. In den vergangenen Jahren haben sich hier Gestaltungsspielräume eröffnet, die lange für nicht möglich gehalten wurden“, so Tolga Ergin. „Wir erwarten dramatische Verbesserungen in den lichtbasierten Technologien, wie Linsen, Solarzellen, Mikroskopen, Objektiven, der Chip-Herstellung und der Datenkommunikation“ (Optics Letters, in press)

(Karlsruher Institut für Technologie, 17.05.2011 – NPO)

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