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Neurobiologie

Warum eine Narkose nicht bei jedem gleich wirkt

Risiko für ungewolltes Aufwachen im OP lässt sich vorab am Gehirn ablesen

Narkose
Nicht jeder ist in Narkose komplett bewusstlos, aber warum? © kupicoo/ Getty Images

Wach oder bewusstlos? Narkosen wirken nicht bei jedem Menschen gleich gut, einige Patienten wachen sogar ungewollt während der OP auf. Woran das liegt, haben Wissenschaftler nun herausgefunden. Demnach hängt die individuelle Narkose-Anfälligkeit von der Struktur und Verknüpfung verschiedener Hirnnetzwerke im Stirn- und Scheitelhirn ab. An diesen Merkmalen könnte künftig schon im Vorfeld einer Operation festgestellt werden, ob eine Person überdurchschnittlich viele Narkosemittel benötigt.

Die Narkose versetzt uns schon seit über 150 Jahren in tiefe Bewusstlosigkeit, um operative Eingriffe schmerzfrei überstehen zu können. Trotzdem ist noch immer nicht in allen Details klar, wie genau betäubende Mittel wie Propofol eigentlich in unserem Gehirn wirken. Ebenfalls unklar ist, warum Menschen so unterschiedlich auf Anästhetika reagieren. Manche sind anfälliger für ihre Wirkung, andere weniger.

Man nimmt an, dass einer von vier Patienten trotz Vollnarkose nicht völlig bewusstlos ist, sondern trotzdem subjektive Erfahrungen macht, also zum Beispiel träumt. Sehr selten, in 0,05 bis 0,2 Prozent der Fälle, wachen Personen sogar während einer Operation ungewollt auf. Ein solches Erlebnis kann traumatisch sein und negative Langzeitfolgen mit sich bringen.

Buzzer in der Röhre

Doch was beeinflusst unsere individuelle Narkose-Anfälligkeit? Auf der Suche nach Antworten haben Forschende um Feng Deng vom Trinity College Dublin jene Gehirnareale genauer untersucht, in denen Narkosemittel typischerweise wirken: im Frontal- und Parietallappen. Diese beherbergen drei Gehirnnetzwerke, die für die bewusste Wahrnehmung von zentraler Bedeutung sind.

Um herauszufinden, ob diese Netzwerke etwas mit der individuellen Narkoseneigung zu tun haben, überwachte Dengs Team die Hirnaktivität von Studienteilnehmern mit einem funktionellen Magnetresonanztomographen (fMRT). Sowohl im wachen als auch im mäßig sedierten Zustand bekamen die Versuchspersonen ein Geräusch oder eine Geschichte zu hören, auf die sie jeweils mit dem Drücken eines Buzzers reagieren sollten.

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Auf diese Weise bestimmten die Wissenschaftler die Reaktionszeit der Probanden in den verschiedenen Bewusstseinszuständen. Die fMRT-Bilder gaben außerdem Aufschluss über die Aktivität der relevanten Hirnareale sowie über ihre Struktur und Verbindungen miteinander. Unter anderem konnten Deng und ihr Team mithilfe der fMRT-Aufnahmen das Volumen der grauen Substanz in den fraglichen Regionen ermitteln.

Graue Substanz und Konnektivität entscheidend

Das Ergebnis: Bei 30 Prozent der Teilnehmer hatte die mäßige Sedierung keinen Einfluss auf ihre Reaktionszeit. Das zeigt laut Wissenschaftlern, wie unterschiedlich die Narkose in dieser Dosierung wirkt. Aber warum ist das so? Die Analysen zeigen, dass die narkoseresistenten Studienteilnehmer grundlegende Unterschiede in der Funktion und den Strukturen ihres Frontal- und Parietallappens aufweisen.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Personen mit einem größeren Volumen an grauer Substanz in den frontalen Regionen und einer stärkeren funktionellen Konnektivität innerhalb der fronto-parietalen Gehirnnetzwerke möglicherweise höhere Propofol-Dosen benötigen, um nicht mehr ansprechbar zu sein, als Personen mit einer schwächeren Konnektivität und einem geringeren Volumen an grauer Substanz in diesen Regionen“, sagt Dengs Kollegin Lorina Naci.

Diese strukturellen Unterschiede könnten laut Forschenden bereits vor einer Narkose ermittelt werden, womit sich die Dosierung des Anästhetikums noch individueller und sicherer anpassen ließe als bislang. (Human Brain Mapping, 2023; doi: 10.1002/hbm.26199

Quelle: Trinity College Dublin, Human Brain Mapping

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