Anzeige
Medizin

Placebos helfen auch gegen Schuldgefühle

Selbst wissentliche Einnahme hat einen lindernden Effekt

Placebo
Der Placebo-Effekt hilft offenbar auch gegen Schuldgefühle. © Olivier Verriest/ Getty Images

Eine Pille gegen die Schuld? Die Einnahme eines Placebos kann sogar Schuldgefühle reduzieren, wie eine Studie in Basel nahelegt. Die Testpersonen spürten auch dann eine Linderung der empfundenen Schuld durch das vermeintlich wirksame Mittel, wenn sie wussten, dass sie nur ein Scheinmedikament bekommen. Dieser Effekt könnte dabei helfen, beispielsweise irrationale Schuldgefühle bei Depressionen zu lindern und dennoch Transparenz bei der Behandlung zu erlauben, wie die Forschenden berichten.

Obwohl in einem Placebo keinerlei wirksame Bestandteile stecken, hilft das Scheinmedikament nachweislich bei einer ganzen Reihe von Beschwerden. Dazu zählen chronische Rückenschmerzen ebenso wie Depressionen. Die Wirkung eines Placebos geht dabei weit über den psychologischen Effekt hinaus und kann sogar messbar die Proteinsignatur im Blut verändern. Placebos verschaffen aber längst nicht nur im klinischen Bereich Erleichterung. Auch abseits von schweren Krankheiten können sie bei gesunden Menschen etwa Traurigkeit, Stress und Ekel mindern.

Eine weitere Emotion, die im Alltag unangenehm und belastend sein kann, sind Schuldgefühle. „Normale“ Schuldgefühle verschwinden meist, wenn wir die Sache, die sie verursacht hat, wieder in Ordnung bringen. Doch Schuldgefühle können auch als Symptom von Depressionen auftreten. Sie sind dann irrational und nicht durch Wiedergutmachungsmaßnahmen zu lindern. Ein Medikament gegen die quälende Schuld, auch wenn es nur ein Scheinmedikament ist, würde Menschen mit Depressionen ihren Alltag um einiges erleichtern.

„Schuld-Tagebücher“ und Wunderpillen

Aber funktionieren Placebos tatsächlich auch bei Schuldgefühlen und Scham? Das haben Forschende um Dilan Sezer von der Universität Basel nun an über 100 Studienteilnehmern untersucht. Es handelte sich dabei um gesunde Personen ohne Depressionen, da sich die Schuldgefühle auf diese Weise isolierter vom restlichen Krankheitsbild einer Depression messen lassen. Um Schuldgefühle zu wecken, sollten die Teilnehmer ein Erlebnis aufschreiben, bei dem sie sich falsch verhalten haben und das sie immer noch belastet. Danach mussten sie angeben, wie schuldig sie sich gerade fühlen.

Im Anschluss teilten Sezer und ihre Kollegen die Versuchspersonen in drei Gruppen auf: Zwei erhielten ein Placebo – die einen wissentlich, die anderen unwissentlich – und die dritte Gruppe erhielt keine Behandlung. Der unwissentlichen Placebo-Gruppe sagten sie, dass sie jetzt ein pflanzliches Mittel bekommt, mit dem sich Schuldgefühle innerhalb von drei bis fünf Minuten lindern lassen. Auch die wissentliche Placebo-Gruppe erhielt die Information, dass das Mittel gegen Schuldgefühle hilft, aber gleichzeitig, dass es sich dabei um ein Placebo handelt. Nach Ablauf einer gewissen Zeit mussten alle Studienteilnehmer erneut angeben, wie ausgeprägt ihre Schuldgefühle waren.

Anzeige

Weniger Schuld selbst bei wissentlichem Placebo

Das Ergebnis: Die Schuldgefühle verringerten sich bei beiden Placebo-Gruppen signifikant gegenüber der Gruppe ohne Medikation, wie die Forschenden berichten. „Unsere Studie stützt damit die faszinierende Erkenntnis, dass Placebos selbst dann wirken, wenn man sie offen verabreicht, und dass die Behandlungserklärung zentral für deren Wirksamkeit ist“, erklärt Sezer. Selbst wenn man darüber aufklärt, dass ein Placebo eigentlich keine Wirkstoffe enthält, aber gleichzeitig sagt, dass es wahrscheinlich trotzdem helfen wird, verleiht das dem Scheinmedikament demnach Wirkung.

„Speziell die offene Vergabe von Placebos ist ein vielversprechender Ansatz, da sie die Autonomie der Patientinnen und Patienten wahrt, weil diese vollumfänglich über die Intervention aufgeklärt werden“, so Sezer. Sie könnten in Zukunft also womöglich selbstbestimmter und auch symptomspezifischer über die eigene Therapie gegen Schuldgefühle entscheiden.

Bis dahin kann es allerdings noch etwas dauern. Denn dem aktuellen Experiment müssen noch weitere Studien folgen. Zum Beispiel dazu, ob Placebos auch Schuldgefühle bei Menschen mit Depressionen lindern können, und wie langfristig ihre Wirkung in diesem Bereich überhaupt ist. (Scientific Reports, 2022; doi: 10.1038/s41598-022-25446-1

Quelle: Universität Basel, Scientific Reports

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

NAchglühen von GRB 221009A

Rekord-Ausbruch überrascht Astronomen

Neue fossile Riesenschlange entdeckt

Warum Chinas Großstädte absinken

Landschaft unter dem Thwaites-Gletscher kartiert

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Angst

Angst - Lebensrettend und krankmachend zugleich

Oxytocin - Ein Kuschelhormon mit vielen (Neben-) Wirkungen

Bücher zum Thema

Volkskrankheiten - Gesundheitliche Herausforderungen in der Wohlstandsgesellschaft

Top-Clicks der Woche