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Physik

Wie Gewitterblitze Röntgenstrahlung erzeugen

Elektrisches Feld der Vorentladung löst eine Lawine von energiereichen Teilchen aus

Blitz
Starke Blitze können auch energiereiche Röntgen- und Gammastrahlung freisetzen. © Sjo/ iStock

Unsichtbare Blitz-Emissionen: Bei Gewittern leuchten manche Blitze nicht nur im sichtbaren Licht – sie setzen auch energiereiche Röntgen- und Gammastrahlung frei. Ein neues Modell klärt nun, wie diese Entladungen entstehen. Entscheidend ist demnach die Ausdehnung des elektrischen Felds an der Spitze des sich bildenden Blitzkanals. Ist dieses mehr als einige Dutzend Meter groß, erzeugen die dort an Luftteilchen gestreuten schnellen Elektronen eine sich selbst verstärkende Lawine hochenergetischer Teilchen, die die Gammastrahlung freisetzen.

Blitze gehören zu den spektakulärsten Phänomenen unseres Wetters. Bei diesen energiereichen elektrischen Entladungen fließen im Blitzkanal Ströme von bis zu 100.000 Ampere, die die Luft in Sekundenbruchteilen bis auf zehntausende Grad aufheizen und in ein Plasma verwandeln. Bei starken Blitzen kann dies auch weit exotischere Folgen haben: Sie produzieren Antimaterie und setzen energiereiche Röntgen- und Gammastrahlen frei. Einige besonders heftige Entladungen bleiben sogar völlig unsichtbar – es sind „dunkle Blitze„, die nur im Gammabereich ablaufen.

Relativistische Elektronen machen den Anfang

Wie diese blitzbedingten Röntgen- und Gammastrahlen entstehen, erforschen Wissenschaftler schon seit rund 20 Jahren. Klar ist, dass dabei energiereiche Elektronen eine Rolle spielen, die in den Blitzen fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Unter bestimmten Bedingungen werden diese Elektronen so an den Luftteilchen gestreut und reflektiert, dass eine aus immer mehr Elektronen bestehende Lawine entsteht. Wenn diese Massen an schnellen Elektronen dann mit weiteren Luftteilchen kollidieren, setzt dies Schübe von Photonen im Röntgen- und Gammabereich frei.

Dies lässt sich auch in Simulationen von Entladungen nachvollziehen. Das Problem jedoch: In den Modellen ist das Ausgangsgebiet der Gammastrahlen mehrere Kilometer groß, das aber passt nicht zu den realen Messdaten. „Wenn sich ein Blitz ausbreitet, geschieht dies auf sehr kompakte Weise“, erklärt Erstautor Victor Pasko von der Pennsylvania State University. Der Blitzkanal ist maximal wenige Zentimeter dick und das Areal, von dem die Gammastrahlen ausgehen ist meist nur rund 100 Meter groß. „Aber warum diese Quellregion so kompakt ist, war bislang ein Rätsel“, so der Physiker.

Elektrisches Feld an der Vorblitz-Spitze entscheidend

Um diese Diskrepanz zu klären, haben Pasko und sein Team die Gammastrahlenbildung bei Blitzen auf Basis eines neuen physikalischen Modells rekonstruiert. Dabei fokussierten sie ihre Analysen auf die Vorgänge an der Spitze der sogenannten „stepped Leader“, den negativen, verästelten Vorentladungen, die den Blitzkanal stufenweise aufbauen. Frühere Studien hatten bereits nahegelegt, dass sie die Gammastrahlenschübe erzeugen. „Was wir nun mathematisch beantworten wollten war: Was für ein elektrisches Feld benötigt man, um diese Lawine aus Elektronen auszulösen?“, sagt Pasko.

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Das Ergebnis: Die für die Röntgen- und Gammastrahlenblitze nötige Elektronenlawine entsteht dann, wenn das elektrische Feld an der Spitze der Vorentladungen sich über rund 100 Meter erstreckt. Erst ab dieser Schwelle werden genügend Elektronen beschleunigt, um den sich selbst verstärkenden Prozess in Gang zu setzen. „Dieser Mechanismus ist zudem unabhängig von der Herkunft und Menge der anfänglichen Runaway-Elektronen“, berichten die Physiker. Die Elektronenlawine kann daher bei Gewitterblitzen, bei in die Atmosphäre eindringenden kosmischen Strahlenpulsen oder sogar bei Entladungen im Labor entstehen.

Nach Ansicht von Pasko und seinem Team schließen ihre Analysen die Lücke zwischen den bisherigen Modellen und den Beobachtungen. „Unser Modell stimmt mit den Ergebnissen von Beobachtungen und Experimenten überein und bestätigt, dass die terrestrischen Gammastrahlenentladungen aus relativ kompakten Bereichen stammen“, sagt Pasko. (Geophysical Research Letters, 2023; doi: 10.1029/2022GL102710)

Quelle: Penn State

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