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Physik

Das Proton hat Charm(e)

Kernbaustein enthält neben Up- und Down-Quarks auch exotische Charm-Quarks

Proteon
Das Proton enthält nicht nur Up- und Down-Quarks, sondern auch kurzlebige, durch Quantenfluktuationen auftauchende Charm-Quarks, wie Physiker jetzt nachgewiesen haben. © Argonne National Laboratory

Überraschung im Atomkern: Nach gängiger Theorie besteht das Proton aus Up- und Down-Quarks sowie verbindenden Gluonen. Doch jetzt haben Physiker Belege dafür entdeckt, dass auch das exotische Charm-Quark im Proton vorkommt. Möglich ist dies, weil durch quantenphysikalische Fluktuationen ständig kurzlebige Paare von Quarks und Antiquarks entstehen. Dass darunter auch Charm-Quarks sind, wurde jetzt erstmals nachgewiesen, wie das Team in „Nature“ berichtet.

Das Proton ist einer der Grundbausteine der Materie. Gängiger Lehrmeinung nach besteht es aus zwei Up-Quarks und einem Down-Quark sowie Gluonen – den Trägerteilchen der starken Kernkraft. Doch das ist noch nicht alles: Durch quantenphysikalische Fluktuationen im Proton entstehen im Proton ständig kurzlebige Paare aus weiteren Quarks und ihren Anti-Quarks, die sich aber schnell wieder gegenseitig auslöschen. Diese flüchtigen Teilchenpaare – die Sea-Quarks – verleihen dem Proton zusätzliche Masse.

Sea-Quarks
Bisher wurden bei den kurzlebigen Quark-Anti-Quark-Paaren im Proton nur Up-, Down- und Strange-Quarks als relativ gesichert angesehen. © DESY

Gibt es kurzlebige Charm-Quarks im Proton?

Strittig war jedoch bisher, welche Quarks als Sea-Quarks vorkommen können. „Virtuelle Quanteneffekte und Energie-Masse-Modelle legen nahe, dass die leichtesten Quarks und Antiquarks- Up, Down und Strange – alle in der Wellenfunktion des Protons vorkommen müssten“, erklären Richard Ball von der University of Edinburgh und seine Kollegen von der NNPDF-Kollaboration. Ob aber auch Vertreter der schweren Quarks unter den Sea-Quarks sind, war unklar.

„Schon seit dem Aufkommen der Quantenchromodynamik (QCD) wurde argumentiert, dass auch alle Arten der schweren Quarks intrinsisch in der Wellenfunktion des Protons vorkommen müssten“, so Ball und sein Team. „Vor allem für das Charm-Quark sagte man einen nicht vernachlässigbaren intrinsischen Anteil voraus.“ Doch diesen nachzuweisen, erwies sich als schwierig. Das Problem: Die Zusammensetzung des Protons lässt sich am besten bei Kollisionen in Teilchenbeschleunigern analysieren. Durch die dabei zugeführte Energie werden jedoch zusätzliche „Perturbations-Quarks“ erzeugt, die die Identifizierung der intrinsischen erschweren.

KI-System spürt intrinsische Charm-Quarks auf

Doch den Physikern der NNPDF-Kollaboration ist es nun gelungen, dieses Problem zu lösen. Möglich wurde dies durch eine KI-gestützte Analyse eines umfangreichen globalen Datensatzes bisheriger Protonenkollisionen. Der Theorie zufolge müssten intrinsische Charm-Quarks dabei vor dem Massenzentrum der Kollision nachweisbar sein, die Perturbations-Quarks hingegen im Zentrum. Der Analysealgorithmus prüfte die Daten daher auf diese Verteilung hin.

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Das Ergebnis: „Wir haben intrinsische Charm-Quarks mit einer lokalen Signifikanz von 2,5 Standardabweichungen gefunden“, berichten die Physiker. Damit lag dies allerdings noch unter dem Wert von drei Sigma, ab dem in der Teilchenphysik etwas als Beleg gilt. Doch im Juli 2021 veröffentlichten Physiker am Large Hadron Collider (LHC) des Forschungszentrums CERN neue Kollisionsdaten, die noch nicht im NNPDF-Datensatz enthalten waren. Als das Team diese dazu nahm, erreichten ihre Werte die Drei-Sigma-Schwelle.

Nach 40 Jahren endlich nachgewiesen

Damit haben Ball und seine Kollegen erstmals nachgewiesen, dass das Proton tatsächlich auch Charm-Quarks enthält – zumindest als kurzlebige Komponente seiner Sea-Quarks. Ihre Daten stimmen auch im Anteil des Charm-Quarks am Gesamtimpuls des Protons relativ gut mit den theoretischen Vorhersagen aus den 1980er Jahren überein: Weniger als ein Prozent des Proton-Gesamtimpulses geht auf das kurzlebige Charm-Quark zurück.

„Unsere Ergebnisse beantworten damit eine fundamentale Frage zur Nukleon-Struktur, die seit 40 Jahren von Teilchen- und Kernphysikern heiß debattiert wurde“, konstatieren die Physiker. In dem Meer der kurzlebigen Quark-Antiquark-Paare des Protons ist demnach auch das exotische, schwere Charm-Quark vertreten. Wichtig ist diese Erkenntnis, um die Struktur und das Verhalten des Protons im Atomkern, aber auch bei Teilchenkollisionen besser zu verstehen. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-04998-2)

Quelle: Nature

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