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Medizin

Zika: Schäden auch im Gehirn Erwachsener?

Erreger zerstört bei Mäusen neuronale Stammzellen in wichtigen Hirnarealen

Per Fluoreszenz markierte Zika-Viren in der subgranulären Zone des Hippocampus einer Maus - einem für das Gedächtnis wichtigen Areal. © Rockefeller University/ Cell Stem Cell

Subtiler Schwund: Entgegen bisherigen Annahmen kann das Zika-Virus auch dem ausgereiften Gehirn schaden. In Versuchen mit Mäusen befiel das Virus neuronale Stammzellen und trieb sie in den Zelltod. Diese Reservoire von Vorläuferzellen jedoch sind für die Neubildung von Hirnzellen und für Lern- und Gedächtnisprozesse wichtig. Noch ist allerdings unklar, ob Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, so die Forscher im Fachmagazin „Cell Stem Cell“.

Das von Stechmücken übertragene Zika-Virus breitet sich immer weiter aus, jüngst vor allem in Mittel- und Südamerika. Eine Infektion ist vor allem unter Schwangeren gefürchtet, weil der mit dem Dengue-Virus verwandte Erreger beim Ungeborenen eine Mikrozephalie auslösen kann, eine Fehlbildung von Kopf und Gehirn.

Bei Erwachsenen verläuft Zika dagegen oft symptomlos oder verursacht nur grippeähnliche Beschwerden. In seltenen Fällen kann das Virus allerdings das Guillain-Barré-Syndrom auslösen. Jetzt jedoch haben Hongda Li von der Rockefeller University in New York einen Hinweis darauf entdeckt, dass der Erreger auch das Nervensystem von Erwachsenen schädigen kann.

Wie gefährdet sind die Stammzell-Reservoire?

Für ihre Studie haben die Neurowissenschaftler untersucht, wie sich das Zika-Virus auf neuronale Stammzellen im Gehirn erwachsener Mäuse auswirkt. Diese normalerweise vor allem beim Embryo wichtigen Zellen finden sich auch in einigen Regionen des ausgereiften Gehirns – hauptsächlich in Arealen für Lern- und Erinnerungsprozesse. Sie dienen als Reservoir, aus dem geschädigte oder abgestorbene Neurone ersetzt werden können.

„Wir haben uns gefragt, ob sich der Erreger auf diese Zellen womöglich mehr auswirken kann als auf andere Bereiche des erwachsenen Hirns“, sagt Lis Kollege Joseph Gleeson. Um das herauszufinden, infizierten die Forscher adulte Mäuse mit dem Virus. Bei den Tieren waren zuvor einige Gene deaktiviert worden, die die Mäuse normalerweise gegen das Zika-Virus immun machen. Mithilfe fluoreszierender Biomarker untersuchte das Team, ob und wie sich das Virus im Gehirn der Mäuse verbreitete.

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Mit Zika infizierte Mäuse zeigten erhöhten Zelltod bei den neuronalen Stammzellen in zwei Hirnbereichen. © Li et al./ Cell Stem Cell

Zelltod und verringerte Teilung

„Die Ergebnisse waren ziemlich dramatisch – bestimmte Bereiche des Gehirns leuchteten auf wie ein Weihnachtsbaum“, berichtet Gleeson. Dabei zeigte sich: Der Erreger hatte nicht das gesamte Gehirn befallen, sondern vor allem zwei Regionen mit neuronalen Vorläufer-Zellen, die anteriore subventrikuläre Zone im Vorderhirn und die subgranuläre Zone im Hippocampus. „Diese scheinen sehr anfällig für eine Infektion zu sein“, sagt Gleeson.

Weitere Analysen offenbarten: In den befallenen Hirnarealen bildeten sich weniger neue Nervenzellen, weil etliche Vorläufer-Zellen abgestorben waren. Gleichzeitig sank auch die Zellteilung der verbleibenden neuronalen Stammzellen um das Vier- bis Zehnfache. „Die Infektion mit Zika führt demnach im erwachsenen Gehirn zu vermehrtem Zelltod und verringertem Zellwachstum“, konstatieren die Forscher.

Folgen für Lernen und Gedächtnis

Gerade in den beiden für das Zika-Virus anfälligen Hirnbereichen kann das negative Folgen für Lernen und Gedächtnis haben. Denn die Fähigkeit, in diesen Arealen neue Zellen zu bilden, ist für die Verarbeitung und das Abspeichern neuer Informationen und Fähigkeiten entscheidend, wie Gleeson und seine Kollegen erklären.

Übertragen wird das Zika-Virus durch den Stich infizierter Aedes-Mücken. © Alex Wild

Langfristig gesehen könnte das Virus dadurch auch bei Erwachsenen die Hirnfunktionen schwächen – wenn auch sehr allmählich und subtil. „Das Virus könnte das Langzeit-Gedächtnis beeinträchtigen und Depressionen fördern,“ sagt Gleeson. „Angesichts dieser Erkenntnisse könnte es doch nicht so harmlos sein, sich als Erwachsener mit Zika zu infizieren.“ Noch aber müssen solche potenziell langfristigen Folgen in weiteren Studien abgeklärt werden.

Gilt das auch für das menschliche Gehirn?

Allerdings betonen die Wissenschaftler, dass ihre Ergebnisse nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragbar sind. Denn es wäre beispielsweise möglich, dass die Immunabwehr bei gesunden Erwachsenen den Übergang des Virus ins Zentralnervensystem verhindert. Das Gehirn immungeschwächter Personen könnte allerdings für eine Attacke des Virus anfällig sein.

„Klar ist jetzt aber, dass das Zika-Virus das erwachsene Gehirn befallen und dort Zerstörungen anrichten kann“, betont Mitautor Sujan Shresta vom La Jolla Institute for Allergy & Immunology. „Während eine Infektion für die frühe Hirnentwicklung katastrophal ist, sind die möglichen Folgen für das erwachsene Gehirn subtiler. Wir wissen nun, worauf wir achten müssen.“

Angesichts dieser Erkenntnisse empfehlen die Forscher, künftig nicht nur Schwangere auf Zika zu testen, sondern die Infektion bei allen Bevölkerungsgruppen zu überwachen. (Cell Stem Cell, 2016; doi: 10.1016/j.stem.2016.08.005)

(Cell Press/ Rockefeller University, 19.08.2016 – DAL)

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