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Medizin

Xenotransplantation: Mensch bekommt Schweineherz

US-Mediziner pflanzen einem Menschen erstmals ein gentechnisch verändertes Tierherz ein

Herztransplantation
Dieses Herz stammt von einem Schwein und wurde von US-Medizinern einem menschlichen Herzpatienten eingesetzt. © University of Maryland School of Medicine

Spenderorgan vom Tier: In den USA haben Mediziner erstmals einem Patienten das Herz eines Schweins eingesetzt. Diese Xenotransplantation war die einzige Überlebenschance für den schwerkranken Mann und wurde daher mit Ausnahmegenehmigung durchgeführt. Um einer Abstoßung vorzubeugen, wurden bei dem Spenderschwein zuvor einige Gene ausgeschaltet und sechs Menschengene eingeschleust. Bisher geht es dem Empfänger gut, ob dies auch langfristig so bleibt, muss sich nun zeigen.

Eine Organtransplantation ist für viele schwerkranke Patienten oft die einzige Chance, aber Spenderorgane sind knapp. Allein in Deutschland gibt es meist zehnmal so viele Patienten auf den Transplantations-Warteliste wie es Spenderorgane gibt. Schon in den 1980er Jahren kamen Mediziner deshalb auf die Idee der Xenotransplantation – der Nutzung von tierischen Spenderorganen. Nachdem jedoch die Verpflanzung eines Pavianherzens auf ein Kind wegen starker Abstoßungsreaktionen tödlich endete, wurde diese Idee zunächst aufgegeben.

Erst in jüngster Zeit ist die Xenotransplantation wieder in den Fokus der Medizin gerückt. Denn die Gentechnik erlaubt es, gezielt die Tiergene auszuschalten, auf die das menschliche Immunsystem mit akuter Abstoßung reagiert. Vor allem Schweineorgane gelten dabei als potenziell geeignet, weil sie in Größe und Gewebemerkmalen besonders kompatibel sind. Xenotransplantationen von Schweineorganen auf Affen wurden bereits mehrfach durchgeführt. 2019 gelang es erstmals, das Überleben von Affen mit Schweineherz auf mehr als sechs Monate zu verlängern.

„Es war meine letzte Chance“

Jetzt haben US-Mediziner erstmals eine solche Xenotransplantation bei einem Menschen durchgeführt: Das Team der der University of Maryland pflanzte einem 57 Jahre alten Herzpatienten das gentechnisch veränderte Herz eines Schweines ein. Normalerweise ist eine solche Xenotransplantation auch in den USA nicht erlaubt. Weil der Patient aber nur noch mithilfe einer Herz-Lungen-Maschine am Leben erhalten wurde und es kein menschliches Spenderorgan für ihn gab, erteilten die US-Behörden eine Ausnahmegenehmigung.

„Es hieß für mich entweder sterben oder diese Transplantation machen“, erklärt der Patient David Bennett seine Situation. „Ich wusste, es ist ein Schuss ins Dunkel, aber es war meine letzte Chance.“ Vor seiner Einwilligung hatte das Team Bennett ausführlich über die Risiken der experimentellen Transplantation aufgeklärt und auch darüber, dass dieses Prozedere noch nie zuvor bei einem Menschen getestet worden war.

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Herzentnahme
Entnahme des Schweineherzens aus dem Spendertier. © University of Maryland School of Medicine

Schweineherz mit zehn veränderten Genen

Um das Schweineherz für die Verpflanzung auf einen Menschen vorzubereiten, waren mehrere Maßnahmen nötig. Zum einen wurde das Spenderschwein gentechnisch verändert: In seinem Erbgut wurden drei Gene deaktiviert, die eine akute Antikörper-Reaktion des menschlichen Immunsystem auslösen. Ein weiteres Schweinegen wurde ausgeschaltet, um übermäßige Wucherungen der Gewebe zu verhindern. Zusätzlich schleusten die Forscher sechs menschliche Gene in das Genom des Spenderschweins ein, deren Proteinprodukte den Geweben „menschlichere“ Immunmerkmale verliehen.

Bei der Transplantation und danach kamen außerdem spezielle Medikamente zum Einsatz. Dazu gehörte neben herkömmlichen Wirkstoffen gegen Abstoßungsreaktionen auch ein experimentelles Präparat des Unternehmens Kiniksa Pharmaceuticals. Das Schweineherz wurde zudem vor der Transplantation mit einem Herzperfusionsgerät gekühlt und in einer speziellen Nährlösung konserviert. Am 7. Januar 2022 fand die Herztransplantation am University of Maryland Medical Center in Baltimore statt.

Transplantation gelungen – bisher

Nach Angaben der Mediziner war diese erste Xenotransplantation eines Herzens ein Erfolg. „Wir haben schon bei der Vorbereitung der Operation den Zustand dieses Patienten besonders berücksichtigt und auch die Anästhesie an die speziellen Anforderungen dieser Xenotransplantation angepasst“, erklärt der leitende Anästhesist Peter Rock von der University of Maryland. „Unsere Planung zahlte sich aus und der Eingriff hatte nicht besser verlaufen können.“

Der Patient hat nach der Transplantation keine akuten Abstoßungsreaktion gezeigt und seither geht es ihm gut, wie das Team mitteilt. Ob aber auch langfristig keine schweren Nebenwirkungen auftreten, muss sich erst noch zeigen. Dennoch werten die Mediziner den Eingriff als Erfolg: „Dies ist ein Durchbruch für die Organtransplantation und die gesamte Medizin“, sagt Daniel Maluf, einer der leitenden Chirurgen. „Der Eingriff war die Krönung von Jahren der Forschung und des Testens und repräsentiert den Beginn einer neuen Ära auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin.“

Wichtiger Meilenstein

Andere Mediziner sehen es durchaus ähnlich: „Aus unserer Sicht ist dies ein großartiger Erfolg für die Xenotransplantation und die jahrzehntelangen Bemühungen, Abstoßungsreaktionen zu charakterisieren und diese durch genetische Modifikationen des Schweins zu verhindern“, kommentiert Konrad Fischer, Leiter der Sektion Xenotransplantation an der Technischen Universität München diese experimentelle Xenotransplantation.

Allerdings sei es für eine endgültige Beurteilung des Erfolgs noch zu früh, betont Uta Dahmen, Leiterin der Experimentellen Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Jena. „Das Überleben eines Patienten für drei Tage ist nicht gleichbedeutend mit der Einführung eines neuen Verfahrens in die klinische Routine.“ Dafür seien weitere komplexe und kostenträchtige klinische Studien nötig – und der Beweis von Langzeitüberleben dieses ersten Patienten. Dennoch sieht auch Dahmen in dem Eingriff einen Meilenstein in der Transplantationschirurgie.

Ethische Fragen bleiben

Unabhängig von dem Erfolg dieser ersten Verpflanzung eines Schweineherzens auf einen Menschen ist die Xenotransplantation jedoch ethisch umstritten. Denn dafür müssen Tiere speziell gezüchtet und gentechnisch verändert werden. Letztlich stellt sich damit die Frage, ob es vertretbar ist, Tiere als „Ersatzteillager“ für den Menschen zu züchten. Auch das Einschleusen menschlicher Gene in Tiere stößt bei einigen Menschen auf Ablehnung.

Dazu merkt Fischer an: „Bei ethischen Bedenken gegen diese Versuche sollte klar darauf verwiesen werden, dass es das Ziel der Xenotransplantation ist, das Leben von Menschen zu verlängern“, so der Wissenschaftler. „Bei allen Weltreligionen steht dies klar über dem Leben eines Tieres, weshalb die Xenotransplantation hier auch einheitlich unterstützt wird.“

Quelle: University of Maryland School of Medicine, Science Media Center

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