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Medizin

Wissenschaftler entdecken Depressions-Gen

Überraschenderweise keine Verbindung zu Serotonin-System

Kanadische Wissenschaftler haben ein Gen entdeckt, dessen Mutationen Menschen anfällig für schwere Depressionen machen kann. Die jetzt im American Journal of Medical Genetics veröffentlichte Entdeckung des Gens P2RX7 könnte erhebliche Auswirkungen für die Diagnose und die Entwicklung neuer anti-depressiver Therapien haben.

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Seit einigen Jahren ist bekannt, dass genetische Faktoren bei Depressionen und so genannten bipolaren Erkrankungen oder manischen Depressionen eine Rolle spielen. Doch die dahinterliegenden komplexen molekularen Netzwerke sind nach wie vor unbekannt. "Das Gen P2RX7 löst sowohl bei Tieren als auch beim Menschen Depressionen aus. Es hat viele Jahre gedauert, bis es entdeckt werden konnte", sagte der Neurowissenschaftler. Die Entdeckung dieses Gens ist für die Entschlüsselung der molekularen Signalwege, die bei Depressionen eine Rolle spielen, von großer Bedeutung.

Etwa fünf – zwölf Prozent Männer und zehn – 25 Prozent Frauen machen mindestens einmal im Leben eine schwere Depression durch. Menschen mit bipolaren Erkrankungen unterliegen sehr starken Stimmungsschwankungen. Schätzungen zufolge kostet die Behandlung von Depressionen pro Jahr mehrere Milliarden Dollar. Wissenschaftler daher gehen davon aus, dass ab dem Jahr 2020 Depressionen sogar an erster Stelle der Krankheitsbelastungen in ökonomisch entwickelten Ländern stehen werden.

Keine Verbindung zu Serotoninsystem

Bis vor kurzem nahmen Wissenschaftler an, dass das so genannte Serotonin-System im Gehirn an der Entwicklung von Depressionen entscheidend beteiligt ist. Das Hormon Serotonin kann Stimmungen und Gefühle beeinflussen. Doch die neuen Erkenntnisse sorgten in diesem Punkt für Überraschungen: "Besonders bemerkenswert allerdings ist, dass das Gen P2RX7 überhaupt nichts mit Serotonin zu tun hat", betonte Professor Barden. Medikamente, die die Produktion von Serotonin erhöhen, können sehr effiziente Stimmungsaufheller sein, aber es dauert Wochen, bis sie wirken. Die Tatsache, dass P2RX7 nichts mit Serotonin zu tun hat, könnte zum Teil eine Erklärung dafür sein.

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Untersuchungen in Tieren haben gezeigt, dass das Gen in den Regionen des Gehirns aktiv ist, die mit Depressionen in Verbindung gebracht werden. So konnten Mäuse, deren Verhalten Depressionen ähnelte, erfolgreich mit Substanzen behandelt werden, die das Gen P2RX7 aktivierten. P2RX7 spielt auch bei der Reaktion des Gehirns auf Entzündungen eine Rolle, was von einer Reihe neuropsychiatrischer Erkrankungen bekannt ist. Weiter zeigte sich, dass Stresshormone die Aktivität dieses Gens reduzieren, woraus die Wissenschaftler schließen, dass starker Stress möglicherweise einen Mechanismus triggert, der schwere Depressionen zur Folge hat.

Funktionsweise noch unbekannt

Doch nicht jeder Träger des mutierten Gens entwickelt notwendigerweise eine Depression. Es komme auch auf weitere Faktoren an. "Wir wissen bisher nicht, wie P2RX7 funktioniert. Wir gehen aber davon aus, dass eine Vielzahl weiterer Gene den gleichen Signalweg benutzen, über den möglicherweise Depressionen ausgelöst werden", sagte Professor Barden.

Die Identifizierung von P2RX7 bedeutet allerdings, dass dieses Gen in Zukunft direkt als Angriffsspunkt für eine Therapie gegen Depressionen genutzt werden kann. Die Anti-Depressiva, die derzeit das Serotonin- System im Visier haben, umgehen quasi das P2RX7-Gen. Tierversuche zeigen, dass Substanzen, die das P2RX7 Gen aktivieren, ihre antidepressive Wirkung sofort entfalten. "Wir hoffen, dass in Zukunft neue Anti-Depressiva mit einem neuen Wirkmechanismus entwickelt werden können".

(Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, 10.07.2006 – NPO)

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