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Genetik

Wir sind alle Mutanten – mehr oder weniger

Die Zahl der von Eltern an ihre Kinder vererbten Mutationen variiert von Familie zu Familie

DNA
Jedes Kind erbt Mutationen, die in den Keimzellen der Eltern neu entstanden sind. © Kirsty Pargeter/ iStock.com

Es liegt in der Familie: Jedes Kind erbt von seinen Eltern neue Mutationen – allerdings nicht immer gleich viele. Wie eine Studie nun zeigt, spielt neben dem Alter der Eltern auch ein rätselhafter Familieneffekt eine Rolle für die Mutationsrate. In manchen Familien werden demnach deutlich mehr genetische Veränderungen an die nächste Generation weitergegeben als in anderen. Wodurch diese erstaunliche Variabilität zustande kommt, ist den Forschern zufolge noch unklar.

Mit den Genen unserer Eltern erben wir immer auch Mutationen, die in deren Spermien und Eizellen neu entstanden sind. Zusätzlich können kurz nach der Befruchtung auch im Embryo selbst noch genetische Veränderungen entstehen. Als Folge hat jedes neugeborene Kind im Vergleich zu seinen Eltern einige neue Mutationen. Kurzum: Wir sind alle Mutanten.

Für manche gilt dies jedoch mehr als für andere, wie nun eine Studie enthüllt. Thomas Sasani von der University of Utah in Salt Lake City und seine Kollegen haben am Beispiel von 603 Individuen aus 33 Drei-Generationen-Familien untersucht, welche Faktoren die Zahl der erworbenen Neumutationen beeinflussen. Dabei stellten sie fest: Im Schnitt wird jedes Kind mit 70 neuen Mutationen geboren. Die Zahl dieser de novo Mutationen schwankt von Person zu Person allerdings stark.

Mehr Mutationen durch alte Eltern

Verantwortlich für diese erheblichen Unterschiede sind offenbar zwei Faktoren: Der erste ist das Alter der Eltern – insbesondere das des Vaters. „Die Zahl der Mutationen, die an die nächste Generation weitergegeben wird, steigt mit zunehmendem Alter der Eltern“, erklärt Sasani. Dieses Phänomen war aus früheren Untersuchungen bereits bekannt, die genetischen Analysen der Forscher bestätigen es nun.

Beim Mann könnte sich der Effekt des Alters mit der lebenslangen Neubildung von Spermien erklären lassen: Während Frauen alle Eizellen in ihrer Jugend anlegen, entstehen die Spermien kontinuierlich neu aus der Teilung von Vorläuferzellen. Das Problem: Jede Teilung beinhaltet das Risiko von Fehlkopien und Mutationen – und dieses Risiko steigt mit schädlichen Umwelteinflüssen und dem Alter.

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Rätselhafter Familieneffekt

Überraschenderweise ist der Einfluss des elterlichen Alters auf die Mutationsrate jedoch nicht in allen Familien gleich. Die Größe dieses Effekts unterscheidet sich von Familie zu Familie weitaus stärker als bislang angenommen, wie die Wissenschaftler herausfanden. So zeichnete sich ab: In einer Familie mag ein zehn Jahre jüngeres Geschwisterkind aufgrund des höheren Zeugungsalters der Eltern zwei Mutationen mehr haben als sein älterer Bruder oder seine ältere Schwester.

In einer anderen Familie geht der Zehn-Jahres-Abstand dagegen womöglich mit 30 zusätzlichen Neumutationen einher. Neben dem Alter der Eltern scheinen demnach auch familiäre Besonderheiten eine Rolle für die Mutationsrate zu spielen. „Die Ergebnisse zeigen, dass wir als Eltern in dieser Hinsicht keineswegs alle gleich sind. Manche von uns geben mehr Mutationen weiter als andere“, sagt Sasanis Kollege Aaron Quinlan.

Erhöhte Krankheitsgefahr?

Woher diese erstaunliche Variabilität kommt, ist rätselhaft – vor allem weil sich die untersuchten Familien in vielen Aspekten gleichen: Sie leben im Bundesstaat Utah, sind europäischer Abstammung, pflegen einen vergleichbaren Lebensstil und sind wahrscheinlich ähnlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt. Dennoch glauben die Forscher, dass eine Kombination aus Genen und Umwelt für den Familieneffekt verantwortlich ist. „Da sich diese Einflüsse weltweit unterscheiden, ist die Variabilität der Mutationsrate international betrachtet wahrscheinlich noch weitaus größer“, spekuliert Quinlan.

Welche Folge aber hat es für Kinder, ein Mutant mehr oder weniger größeren Ausmaßes zu sein? Einerseits stellen Mutationen immer eine Quelle genetischer Innovationen dar. Doch je nachdem, an welcher Stelle im Erbgut die Veränderung passiert, können auch genetisch bedingte Erkrankungen die Folge sein. Je mehr Mutationen sich von Generation zu Generation anhäufen, desto größer ist diese Gefahr.

Sasani und seine Kollegen wollen daher in Zukunft überprüfen, ob Faktoren, die die Mutationsrate beeinflussen, auch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten bestimmter Krankheiten erhöhen. (eLife, 2019; doi: 10.7554/eLife.46922.001)

Quelle: University of Utah

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