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Neurowissenschaften

Wie Schlafmangel dem kindlichen Gehirn schadet

Schlafdefizit führt zu anhaltenden Einbußen beim Hirnvolumen und den kognitiven Leistungen

schlafendes Kind
Kinder im Grundschulalter benötigen mindestens neun Stunden Schlaf pro Nacht. © FamVeld/ Getty images

Anhaltende Folgen: Wenn Grundschulkinder ständig zu wenig Schlaf bekommen, beeinträchtigt dies ihr Gehirn und ihre mentale Entwicklung nachhaltig, wie eine Studie zeigt. Demnach hatten Kinder, die weniger als neun Stunden pro Nacht schliefen, weniger graue Hirnsubstanz in Hirnarealen für Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Gedächtnis. Zudem neigten sie eher zu Verhaltensauffälligkeiten und kognitiven Defiziten. Diese Unterschiede waren auch zwei Jahre später noch nachweisbar.

Schlaf ist für unser Gehirn überlebenswichtig. Denn in dieser Ruhepause werden Abfallstoffe ausgeschwemmt, Gedächtnisinhalte sortiert und Synapsen rekalibriert. Fehlt der Schlaf, werden wir reizbarer, schmerzempfindlicher, können uns schlechter konzentrieren und neigen zu verfälschten Erinnerungen. Studien legen zudem nahe, dass ein längerfristiger Schlafmangel auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht und sogar Hirnzellen zerstören kann.

Als besonders schädlich gilt der Schlafmangel für Kinder. Denn ihr sich noch entwickelndes Gehirn benötigt die nächtliche Ruhepause noch dringender als das der Erwachsenen. Schlafmediziner empfehlen deshalb, das Kinder im Grundschulalter mindestens neun Stunden Nachtruhe erhalten sollten.

Grundschulkinder im Vergleichstest

Was aber passiert, wenn Kinder ständig zu wenig Schlaf bekommen? Das haben nun Fan Nils Yang von der University of Maryland in Baltimore und seine Kollegen näher untersucht. Dafür werteten sie die Daten von 8.323 Mädchen und Jungen aus, die bei Studienbeginn neun bis zehn Jahre alt waren. Durch Befragungen der Eltern ermittelten die Forschenden, wie lange die Kinder im Schnitt pro Nacht schliefen.

Alle Kinder wurden zu Begin und noch einmal zwei Jahre später psychologisch und medizinisch untersucht und Tests ihrer kognitiven Leistungen unterzogen. Außerdem untersuchte das Team zu Studienbeginn und nach zwei Jahren die Hirnanatomie und -funktion der Kinder mittels funktioneller Magnetresonanz-Tomografie. Für die Auswertung wurden Kinder mit und ohne genügend Schlaf jeweils paarweise so verglichen, dass Hintergrund und Lebensumstände möglichst ähnlich waren.

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„Wir haben versucht, die beiden Gruppen so gut wie möglich abzugleichen, damit wir besser verstehen, wie sich Schlafmangel langfristig auf das präadoleszente Gehirn auswirkt“, sagt Yangs Kollege Ze Wan,

Weniger graue Hirnsubstanz und kognitive Defizite

Das Ergebnis: „Wir haben festgestellt, dass Kinder mit weniger als neun Stunden Schlaf pro Nacht weniger graue Hirnsubstanz und ein kleineres Volumen in bestimmten Hirnarealen hatten als Kinder mit genügend Schlaf“, berichtet Wang. „Die betroffenen Hirnbereiche sind zuständig für Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Impulskontrolle.“ Dazu gehörten Teile der Großhirnrinde unter anderem im Schläfenlappen. Gleichzeitig gab es auch Unterschiede bei den funktionellen Verbindungen zwischen verschiedenen Hirnarealen.

Die Folgen des Schlafmangels zeigten sich jedoch auch im Verhalten und den kognitiven Fähigkeiten der Kinder: In Tests des Gedächtnisses, den Problemlöse-Fähigkeiten und der Entscheidungsfindung schnitten Kinder mit weniger als neun Stunden Schlaf schlechter ab als ihre ausgeschlafeneren Altersgenossen. Auch impulsives Verhalten, Depressionen oder Ängste kamen bei diesen Kindern häufiger vor als bei denjenigen, die regelmäßig mehr als neun Stunden Schlaf bekamen.

„Diese Unterschiede waren zudem auch zwei Jahre später noch nachweisbar – das ist ein besorgniserregender Befund, weil es langfristige Schäden bei den Kindern nahelegt, die nicht genügend Schlaf bekommen“, sagt Wang.

Neun Stunden sollten es mindestens sein

Schlafmediziner empfehlen für Kinder zwischen neun und zwölf Jahren eine Nachtruhe von mindestens neun Stunden Dauer. „Aber im hektischen Alltag zwischen Schulaufgaben und außerschulischen Aktivitäten kann das schnell mal untergehen“, sagt Koautor Albert Reece von der University of Maryland. Auch die abendliche Nutzung von Computern, Tablets und Handys trägt dazu bei, die Schlafzeiten von Kindern immer weiter zu verkürzen.

„Aber jetzt sehen wir, wir schädlich das für die Entwicklung eines Kindes sein kann.“, so Reece. Nach Ansicht der Wissenschaftler bestätigen ihre Ergebnisse, das ausreichend Schlaf für die Hirnentwicklung von Kindern wichtig ist – und wie schädlich ein anhaltender Schlafmangel sein kann. (The Lancet Child & Adolescent Health, 2022; doi: 10.1016/S2352-4642(22)00188-2)

Quelle: University of Maryland School of Medicine

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