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Medizin

Wie Migräne das Gehirn verändert

Hirnscans enthüllen Veränderungen der Gefäßumgebung und weißen Hirnsubstanz

Gehirn-MRT
Die winzigen dunklen Stellen in der zentralen weißen Hirnsubstanz dieses Migränepatienten deuten auf anomale Erweiterungen der flüssigkeitsgefüllten Räume um die Blutadern im Gehirn hin. © RSNA/ Wilson Xu

Nachhaltige Veränderungen: Migräne manifestiert sich nicht nur in wiederholten Kopfschmerzattacken – sie zeigt sich auch am Gehirn, wie hochauflösende Hirnscans jetzt enthüllt haben. Demnach haben Migräne-Patienten auffallend erweiterte Hohlräume um die Blutgefäße bestimmter Hirnregionen. Auch Mikroläsionen durch winzige Lecks in den Blutadern sind bei ihnen häufiger. Dies könnte auf eine Störung des neuronalen Lymphsystems bei Migränikern hindeuten, wie Forschende berichten.

Kopfschmerzattacken, Lichtempfindlichkeit, Übelkeit: Rund zehn Prozent der Menschen in Deutschland leiden unter Migräne. Doch was diese nur in Teilen genetische bedingte Erkrankung auslöst und wie sie sich im Gehirn zeigt, ist erst in Teilen verstanden. Klar scheint aber, dass sich eine Migräne nicht nur während der Kopfschmerzattacken manifestiert: Migräniker zeigen auch dazwischen Auffälligkeiten in ihrer Hirnaktivität, der Anatomie der Hirnrinde und bei bestimmten Membranlipiden im Blut.

Hochaufgelöster Blick in Migräniker-Gehirn

Ein weiteres Migräne-Merkmal haben nun Forschende um Wilson Xu von der University of Southern California in Los Angeles entdeckt. Für ihre Studie hatten sie zehn Personen mit chronischer Migräne, zehn mit episodischen Migräneanfällen sowie fünf gesunde Kontrollpersonen hochaufgelösten Hirnscans unterzogen. Ihr besonderes Augenmerk lag bei dieser Magnetresonanz-Tomografie (MRT) auf kleinsten Veränderungen im Umfeld der Blutgefäße im Gehirn.

„Unseres Wissens nach ist dies die erste Studie, die mithilfe ultrahochaufgelöster MRT-Aufnahmen nach solchen mikrovaskulären Veränderungen im Gehirn von Migräne-Patienten sucht“, erklärt Xu. Schon länger besteht der Verdacht, dass Migräneanfälle die Durchblutung des Gehirns beeinflussen und so die Schmerzen auslösen. Xu und seine Kollegen wollten nun herausfinden, ob auch abseits der akuten Anfälle Veränderungen erkennbar sind.

Anomalien rund um die Hirngefäße

Tatsächlich wurde das Team fündig: „Bei Menschen mit chronischer und episodischer Migräne gibt es signifikante Veränderungen in den perivaskulären Räumen“, berichtet Xu. Dabei handelt es sich um flüssigkeitsgefüllte Kanäle, die die Hirnblutgefäße umgeben und eine Rolle für die Ableitung der Lymphe spielen. Wenn sie erweitert sind, kann dies ein Hinweis auf eine krankhafte Veränderung oder Entzündung der Gefäße sein.

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Hirn-MRT
Bei Migränepatienten waren auch häufiger lokale Verdichtungen der weißen Hirnsubstanz zu erkennen. © RSNA/ Wilson Xu

Wie die Analysen ergaben, waren die perivaskulären Räume bei den Migränepatienten vor allem im sogenannten Centrum semiovale erweitert. Diese Hirnregion zwischen dem Cortex und den zentralen Ventrikeln des Gehirns umfasst vor allem die aus Nervenleitungen bestehende weiße Hirnsubstanz. Im diesem halbmondförmigen, in beiden Hirnhälften vorhandenen Areal fanden die Wissenschaftler auch vermehrt winzige, verdichtete Stellen und Mikroläsionen durch kleinste Lecks in den Blutkapillaren.

Störung im Abwassersystem des Gehirns?

Nach Ansicht von Xu und seinem Team könnten diese Veränderungen darauf hindeuten, dass die Migräne mit einer grundlegenden Störung des glymphatischen Systems verbunden ist – dem System von Kanälchen, Hohlräumen und Ableitungen, das Abfallstoffe aus dem Gehirn ausschwemmt. „Die perivaskulären Räume sind Teil des Abwassersystems in unserem Gehirn“, erklärt Xu. „Wenn wir näher untersuchen, wie sie zur Migräne beitragen, könnte dies dabei helfen, die komplexen Mechanismen hinter der Migräne zu entschlüsseln.“

Bisher ist allerdings noch unklar, ob die nun beobachteten Veränderungen eine Folge der Migräne sind oder vielleicht ein Teil der Ursache. Die Wissenschaftler hoffen, diese Frage mithilfe von Studien mit größeren Teilnehmerzahlen und längerer Studiendauer klären zu können. (Meeting of the Radiological Society of North America 2022)

Quelle: Radiological Society of North America

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