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Medizin

Wie die Galle unseren Appetit beeinflusst

Beim Essen freigesetzte Gallensalze gelangen ins Gehirn und wirken dort appetithemmend

Galle
Die Gallenflüssigkeit hilft bei der Fettverdauung, spielt aber auch eine Rolle für unser Sättigungsgefühl, wie sich nun zeigt. © Rasi Bhadramani/ Getty images

Überraschende Nebenwirkung: Die beim Essen freigesetzte Galle dient nicht nur der Fettverdauung, sie wirkt auch direkt auf unser Gehirn, wie Forscher entdeckt haben. Demnach gelangen die Gallensalze über das Blut bis in den Hypothalamus, wo sie als Botenstoffe an einen Rezeptor binden. Das wiederum löst eine Reaktionskette aus, die den Appetit hemmt. Die Galle ist damit Teil des komplexen Systems, das unseren Hunger und Appetit reguliert.

Die Hauptaufgabe der Gallenflüssigkeit ist es eigentlich, bei der Fettverdauung zu helfen. Dafür produziert die Leber aus Cholesterin verschiedenen Gallensalze, die zusammen mit Flüssigkeit in den Darm abgegeben werden. Dort binden sie an Fette aus der Nahrung und transportieren diese über das Blut zurück in die Leber. Während einer Mahlzeit erreicht daher die Galle auch im Blut messbare Werte.

Warum gelangt die Galle bis ins Gehirn?

Das Merkwürdige nur: Während und nach einer Mahlzeit finden sich Gallensalz-Moleküle sogar in unserem Gehirn, wie Studien belegen. Obwohl die Blut-Hirnschranke die meisten Substanzen aus dem Blut vom Gehirn fernhält, kann die Galle sie offenbar passieren. Das legt nahe, dass diese Salze dort eine Funktion haben müssen. „Aber bisher konnte trotz dieser Nachweise keine physiologische Rolle der Gallensalze im Zentralnervensystem gefunden werden“, berichten Alessia Perino von der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne und ihre Kollegen.

Um diesem Phänomen auf die Spur zu kommen, haben Perino und ihr Team zunächst in Versuchen mit Mäusen verfolgt, wann und wo die Galle nach einer Mahlzeit ins Gehirn gelangen. Es zeigte sich: Schon kurze Zeit nach dem Fressen stieg der Gehalt der Gallensalze im Blut der Tiere an und erreichte dann auch im Hypothalamus des Gehirns eine Konzentrationsspitze.

Dieser direkt über der Hirnanhangsdrüse liegende Teil des Mittelhirns ist schon länger dafür bekannt, dass er eine Rolle bei der Regulation des Appetits spielt. Unter anderem deshalb ist die Blut-Hirn-Schranke im Umfeld dieses Hirnteils eher „löchrig“ – sie muss biochemische Signale durchlassen können, die zur Kontrolle von Hunger und Sättigung nötig sind.

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Weniger Appetit durch Gallensalze

Tatsächlich stellte das Forschungsteam auch bei den Mäusen einen Zusammenhang zwischen der Präsenz der Gallensalze im Gehirn und ihrem Essverhalten fest: Wenn die Konzentration der Gallensalze im Hypothalamus anstieg, ließ die Fresslust der Nager nach. Ähnliches zeigte sich, als die Wissenschaftler den Tieren direkt eine Mischung von Gallensalzen verabreichten. „Die orale Gabe von Gallensalzen reduzierte die Futteraufnahme 24 Stunden lang effektiv“, berichten sie.

„Das deutet darauf hin, dass die Präsenz der Gallensalze im Gehirn ein Sättigungsgefühl auslösen kann“, erklären Perino und ihre Kollegen. Sie hatten auch schon einen Verdacht wie: Schon länger ist bekannt, dass in einigen Teilen des Hypothalamus der sogenannte TGR5-Rezeptor präsent ist. Er ist aus dem Darm und anderen Körperbereichen als Andockstelle für Gallensalze und als Teil der Stoffwechsel-Regulation bekannt.

Hemmung appetitanregender Neurotransmitter

In weiteren Versuchen bestätigte sich die Vermutung: Die Gallensalze docken im Gehirn an den TGR5-Rezeptor an und lösen damit eine Reaktionskaskade aus, durch die die Freisetzung zweier appetitanregender Botenstoffe im Hypothalamus beeinflusst wird. „Die Gallensalze blockieren schon wenige Minuten nach ihrer Bindung an den Rezeptor die Freisetzung der appetitanregenden Peptide AgRP und NPY, gleichzeitig verstärken sie diese Blockade, indem sie auch die Produktion dieser Neurotransmitter hemmen“, erklärt Perino.

Zusammengenommen legen diese Ergebnisse nahe, dass die Galle nicht nur in Darm und Leber eine wichtige Rolle spielt, sondern auch als Botenstoff im Gehirn. Dort trägt sie offenbar dazu bei, das Sättigungsgefühl nach einer Mahlzeit hervorzurufen und den Appetit im satten Zustand zu dämpfen. In welchem Maße dieser Effekt allerdings zur Appetitkontrolle beiträgt und wie die Wechselwirkungen mit den zahlreichen anderen Botenstoffen dieses Regulationsschaltkreises aussehen, muss nun noch erforscht werden. (Nature Metabolism, 2021; doi: 10.1038/s42255-021-00398-4)

Quelle: Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne

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