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Medizin

Werdende Väter sind „ein bisschen schwanger“

Forscher weisen auch bei Männern mit schwangeren Partnerinnen Hormonänderungen nach

Wenn die Frau schwanger ist, verändert dies auch die Hormone des werdenden Vaters © freeimages

Hormonelles Anti-Aggressions-Programm: Ist die Partnerin schwanger, verändert sich auch der Hormonhaushalt des werdenden Vaters. Sein Testosteronwert sinkt, ebenso das Östrogen, wie US-Forscher jetzt festgestellt haben. Dieser hormonelle Wandel trägt wahrscheinlich dazu bei, den Mann auch neuropsychologisch auf die Vaterschaft und Fürsorge für ein Kind vorzubereiten, wie die Forscher erklären.

Seltsame Essgelüste, Gefühlsschwankungen, Tränen – bei schwangeren Frauen bringen die Hormone so einiges durcheinander. Gleich vier wichtige Hormone nehmen in der Zeit der Schwangerschaft zu, darunter Östrogene, Progesteron, Testosteron und das Stresshormon Cortisol – vielleicht als Reaktion auf vermehrten Stress beim Gedanken an die Geburt, aber auch, um die Frauen an die Belastungen durch ein Neugeborenes vorzubereiten.

Ob werdende Väter während der Schwangerschaft ihrer Partnerinnen ebenfalls hormonelle Veränderungen zeigen, war bisher dagegen kaum untersucht. Dies haben Robin Edelstein und seine Kollegen von der University of Michigan nun nachgeholt. Für ihre Studie nahmen sie bei 59 zum ersten Mal schwangeren Frauen und ihre Partnern mehrfach während der Schwangerschaft Speichelproben und analysierten darin den Gehalt der vier Hormone Testosteron, Cortisol, Progesteron und des Östrogens Östradiol.

Weniger Testosteron

Und tatsächlich: Auch die Männer werden – zumindest im hormonellen Sinne – ein bisschen mit schwanger. Allerdings verhielten sich die Geschlechtshormone Östrogen und Testosteron dabei genau umgekehrt wie bei den Frauen: Bei werdenden Müttern steigen sie an, bei werdenden Vätern nimmt ihr Gehalt dagegen ab, wie die Forscher berichten.

„Unseres Wissens nach ist unsere Studie die erste, die die pränatalen Veränderungen der männlichen Hormone dokumentiert“, konstatieren Edelstein und seine Kollegen. Die Veränderungen seien allerdings deutlich geringer als bei schwangeren Frauen. Bei den beiden restlichen Hormonen, Progesteron und Cortisol, stellten die Forscher keine signifikanten Veränderungen fest.

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Anti-Aggressions-Programm

Erklären lässt sich die Testosteron-Abnahme mit dessen psychologischer Wirkung: Indem weniger aggressionsförderndes Testosteron in ihrem Blut kreist, werden die Männer schon während der Schwangerschaft auf Fürsorglichkeit getrimmt – sie erleben quasi ein hormonelles Anti-Aggressionsprogramm. Ähnliches beobachtet man bei Vätern, die schon Kinder haben.

Und noch etwas zeigen diese Ergebnisse: Männer, die Väter werden, haben nicht von Natur aus einen niedrigeren Testosteron-Spiegel, sie sind daher nicht von Anfang an „softer“ als ihre kinderlos bleibenden Geschlechtsgenossen. Stattdessen tragen erst Partnerschaft und Schwangerschaft der Partnerin zu dieser Entwicklung bei, wie die Forscher betonen.

Warum das Östrogen bei werdenden Vätern abnimmt, lässt sich nicht so eindeutig erklären, denn eigentlich fördert das weibliche Geschlechtshormon die Zuwendung zu einem Kind. „Vielleicht ist dies ein Nebeneffekt der Testosteron-Abnahme, denn bei Männern entsteht Östradiol aus Testosteron“, mutmaßen die Forscher.

Auslöser noch unklar

Wie diese Hormonveränderungen ausgelöst werden, ist noch unklar. Es könnte eine Folge der psychologischen Veränderungen sein, die werdende Väter in Erwartung eines Kindes erfahren, so die Forscher. Möglich wäre aber auch, dass Veränderungen in der Beziehung zu ihrer Partnerin oder sogar körperliche Mechanismen dafür verantwortlich sind. Klar scheint damit nur: Auch werdende Väter sind ein bisschen schwanger – zumindest hormonell gesehen. (American Journal of Human Biology, 2014; doi: 10.1002/ajhb.22670)

(Wiley, 18.12.2014 – NPO)

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