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Neurobiologie

Was verleiht uns unsere Geschicklichkeit?

Schaltkreise im Hirnstamm steuern die Feinmotorik von Mensch und Maus

Schreiben
Ob mit der Hand oder der Tastatur – Schreiben gehört zu den Tätigkeiten, die eine gute Feinmotorik erfordern. © Nortonrsx/ iStock.com

Geschicklichkeit enträtselt: Ob beim Schreiben, beim Spaghetti-Essen oder Basteln – all diese Tätigkeiten stellen hohe Anforderungen an die Feinmotorik. Möglich machen dies bestimmte Nervenverbindungen im Hirnstamm, wie Forscher bei Versuchen mit Mäusen herausgefunden haben. Je nach Komplexität der Bewegung arbeiten dabei verschiedene Neuronen und Hirnstammareale zusammen.

Durch präzise Arm- und Fingerbewegungen können wir ganz selbstverständlich schreiben oder beim Essen nach der Gabel greifen. Diese Feinmotorik wird durch das Zusammenspiel der Nervenzellen und der Muskeln möglich. Entscheidend dabei ist der Hirnstamm, der fließend ins Rückenmark übergeht. Er gilt als wichtige Schaltzentrale zwischen den motorischen Zentren im Gehirn, die Bewegungen planen, und den Motoneuronen im Rückenmark, die die Muskelkontraktion in den entsprechenden Muskelzellen auslösen.

Welche Nervenverbindungen sind dafür zuständig?

Welche Nervenverbindungen aber genau die Feinmotorik der Arme, Hände und Finger steuern, haben nun Forscher um Ludwig Ruder von der Universität Basel näher untersucht. Bisher bekannt war lediglich, dass der Hirnstamm aus vielen Regionen mit spezialisierten Nervenzellverbindungen besteht, die komplexe Bewegungsabläufe steuern.

Für ihre Untersuchungen setzte das Forscherteam Implantate in das Gehirn von Mäusen, um deren Nervenzellen zu markieren und die Zellaktivität bei bestimmten Bewegungen – wie beim Greifen von Futter oder beim Betätigen eines Hebels mit den Vorderpfoten – sichtbar zu machen und zu messen. Anhand injizierter Rezeptoren und Viren bestimmten Ruder und seine Kollegen zudem die räumliche Anordnung der Nervenverbindungen im Hirnstamm und zeichneten ihre Kommunikationswege nach.

Jede Gruppe Nervenzellen arbeitet spezifisch

Das Ergebnis: Am Beispiel der Mäuse zeigte sich, dass eine ganz bestimmte Region im Hirnstamm speziell für verschiedene feinmotorische Tätigkeiten der Vorderpfoten verantwortlich ist. Das Team konnte in dieser Region – der sogenannten „lateralen rostralen Medulla“ (latRM) – vier Gruppen von Nervenzellen lokalisieren, die an den feinmotorischen Bewegungen beteiligt waren.

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Diesen Gruppen von Neuronen konnten die Wissenschaftler unterschiedliche Tätigkeiten zuordnen. „Einfachere Handlungen, wie das Ausstrecken der Vorderpfote zum Futter, erfolgen über spezifische latRM-Nervennetzwerke, welche direkt das Rückenmark ansteuern“, erklärt Ruder. So übernimmt eine Gruppe dieser Nervenzellen zum Beispiel das Ausstrecken der Pfote, eine andere das Greifen des Futters.

Kommunikation für komplexere Bewegungen

Das Ausführen komplexerer Bewegungen, die auch die Finger mit einschließen – also beispielsweise das Greifen oder das Zum-Mund-Führen eines Futterstückchens – übernahmen hingegen andere, räumlich entferntere Nervenzellen: Diese Bewegungen wurden insbesondere durch solche latRM-Neuronen gesteuert, die mit Nervenzellen in anderen Regionen des Hirnstamms verknüpft sind, so die Forscher.

„Die Nervenzellpopulationen im latRM-Bereich kontrollieren ganz spezifisch die Feinmotorik der vorderen Gliedmaßen“, fasst Ruders Kollegin Silvia Arber zusammen. „Aber nur indem die Nervenzellen verschiedener Regionen des Hirnstamms miteinander kommunizieren, gelingen so komplexe und präzise Bewegungsabläufe wie das Greifen. Für die Fingerfertigkeit sind diese internen Verbindungen und Netzwerke unentbehrlich.“

Beim Menschen ähnlich?

„Unsere Studie beschreibt das latRM des Hirnstamms als einen wesentlichen Akteur bei der Ausführung von geschickten Bewegungen der Vordergliedmaßen“, resümieren die Wissenschaftler. Die räumliche Trennung der Nervenzellpopulationen nach Aufgaben und ihre Verknüpfungen zeigen die komplexe Organisation des Hirnstamms.

Viele dort liegende, neuronale Schaltkreise sind in Mensch und Tier ähnlich, daher lassen sich laut Ruder und seinem Team auch Rückschlüsse darauf ziehen, welche Nervenzell-Populationen unsere Bewegungen steuern. Fortführend kann man auch ableiten, wie Krankheiten und Verletzungen zu Einschränkungen der feinmotorischen Fähigkeiten führen können. (Nature, 2021, doi:10.1038/s41586-020-03080-z)

Quelle: Universität Basel

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