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Medizin

Vogelgrippe H7N9 ist schon resistent

Viren sind bereits zu mehr als einem Drittel immun gegen antivirale Medikamente

Die erste Welle der neuen Vogelgrippe H7N9 in China ist vorbei – aber es droht ein Comeback. Experten rechnen damit, dass mit dem Herbst auch eine neue Epidemie beginnt – und diese könnte gefährlicher werden als die erste. Denn zum einen haben die Viren mehr Zeit gehabt, Mutationen zu entwickeln, die ihre Verbreitung unter Menschen erleichtern. Zum anderen aber haben US-Forscher nun festgestellt, dass gut ein Drittel der H7N9-Viren bereits jetzt gegen gängige antivirale Medikamente resistent sind, wie die im Fachmagazin „mBio“ berichten.

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Solange es keine Schutzimpfung gibt, lässt sich eine Grippe nur durch Medikamente behandeln, die bestimmte Funktionen der Viren hemmen und so ihre Vermehrung verhindern. Heilen können sie die Influenza zwar nicht, aber sie verkürzen die Krankheit und lindern die Symptome. Weil die sogenannten Amantadine wegen ihrer schweren Nebenwirkungen in Europa kaum mehr eingesetzt werden, gelten vor allem die Wirkstoffe Ozeltamivir – bekannt als Präparat Tamiflu – und Zanamivir (Relenza) als Wirkstoffe der Wahl. Sie wurden beispielsweise 2005 von den meisten Ländern vorbeugend für den Fall eine Epidemie mit dem Vogelgrippe-Virus H5N1 angeschafft. Diese Mittel wirken, indem sie das ein Enzym der Influenza-Viren, die sogenannte Neuraminidase, hemmen.

Neue Vogelgrippe hat Pandemie-Potenzial

Im April 2013 ist in China eine neue Variante von Grippe-Erregern aufgetaucht, das Vogelgrippe-Virus H7N9. Es breitet sich in Geflügel aus, ohne dass dieses sichtbar krank wird. Steckt sich aber ein Mensch mit dem Erreger an, kann er schwer erkranken und sogar sterben. Ein Grund dafür ist, dass der Erreger eine Überreaktion des menschlichen Immunsystems auslöst, wie chinesische Forscher vor kurzem herausfanden. Seit Ausbruch der Epidemie sind 143 Menschen erkrankt und 43 gestorben.

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Noch allerdings scheint das H7N9-Virus nur durch direkten Kontakt von Vogel und Mensch übertragen zu werden – nicht von Mensch zu Mensch. Allerdings gibt es erste Hinweise darauf, dass der Erreger bereits erste Anpassungs-Schritte an seinen neuen Wirt absolviert hat. Forscher schließen daher nicht aus, dass er im Laufe der Zeit die Artschranke komplett überwindet. Wie die saisonale Grippe und die Schweinegrippe neuen Typs des Jahres 2009 könnte das Virus dann das Potenzial besitzen, um eine Pandemie auszulösen.

Ein Drittel der Viren ist immun gegen antivirale Mittel

„Wenn H7N9 die Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch erwirbt – was haben wir dann dagegen? Nur antivirale Medikamente wie Ozeltamivir“, konstatiert Ko-Autor Robert Webster vom St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis. Denn eine Impfung existiert gegen diesen Grippestamm noch nicht. Doch wie er und seine Kollegen nun feststellten, könnten selbst die antiviralen Medikamente möglicherweise nicht mehr wirken.

Die Forscher hatten für ihre Studie Proben des ersten, an H7N9 erkrankten Menschen im Labor untersucht. Dabei prüften sie unter anderem, wie sensibel diese Erreger gegenüber Neuraminidase-Hemmern wie Ozeltamivir und Zanamivir reagierten. Das Ergebnis: 35 Prozent der Viren besaßen eine Mutation, die sie gegen diese antiviralen Medikamente schützte. Eine Behandlung wäre daher nur eingeschränkt oder sogar gar nicht wirksam.

Gängige Tests versagen

Und noch etwas zeigte die Studie: Weil resistente und nicht-resistente Erreger zusammen auftreten, funktionieren gängige Resistenztests bei dieser Grippeform nicht. Auch Webster und seine Kollegen hatten mit ihnen zunächst das beruhigende Ergebnis erhalten: keine Resistenzen vorhanden. Denn diese Tests prüfen meist nur, ob die Virenprobe die normale, gegenüber den Medikamenten anfällige Form des Neuraminidase-Enzyms enthält.

Da aber bei H7N9 neben den resistenten Erregern genügend anfällige Viren vorhanden sind, gibt der Test fälschlich Entwarnung. Das aber könne im Falle einer Epidemie schwerwiegende Folgen haben, warnen die Forscher: Behandelt man einen Patienten mit den antiviralen Wirkstoffen, bremst dies zwar die nichtmutierten Viren aus. Die mutierten können sich aber umso besser vermehren – und damit nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass der Anteil solcher resistenter Stämme wächst.

„Wir brauchen dringend Wirkstoffe, die an anderen Stellen des Influenza-Virus ansetzen“, sagt Webster. Diese wären dann auch gegen diejenigen Erreger noch wirksam, die bereits gegen Neuraminidase-Hemmer immun sind. Zwar seien einige solcher Medikamente zurzeit in der Entwicklung, aber noch nicht marktreif. „Unsere Optionen, H7N9 durch antivirale Mittel zu kontrollieren, sind daher nicht gerade gut“, warnt der Forscher.

(American Society for Microbiology, 17.07.2013 – NPO)

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