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Medizin

Ursache für Höhenkrankheit enträtselt

Forscher entdecken einen im Herz verborgenen Grund

Das Höhenlungenödem ist abgesehen von Unfällen die häufigste Todesursache bei Bergsteigern, selbst wenn diese körperlich gut trainiert sind. In einer vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Studie stellten Forschende der Universitätskrankenhäuser Lausanne und Bern fest, dass einer der Faktoren, die diese Krankheiten begünstigen können, im Herz zu suchen ist. Eine Entdeckung, die interessante klinische Auswirkungen haben könnte.

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Bereits seit einigen Jahren untersuchen Urs Scherrer und Claudio Sartori, Fachärzte für innere Medizin am Universitätsspital Lausanne, sowie Yves Allemann, Kardiologe am Inselspital in Bern, mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) das Höhenlungenödem, auch bekannt unter der englischen Abkürzung „HAPE“. Diese Krankheit, bei der sich Flüssigkeit in der Lunge ansammelt, ist eine häufige Todesursache von Alpinistinnen und Alpinisten, die sich in grosse Höhe begeben. Sie kann aber auch alle anderen Personen treffen, die sich längere Zeit auf über 2500 Metern Höhe aufhalten. „Das Höhenlungenödem ist vor allem auch ein hervorragendes Modell zur Erforschung des Lungenödems im Allgemeinen, das zum Beispiel als Komplikation einer Herz-Kreislauf-Erkrankung auftreten kann“, erklärt Scherrer.

Die Mediziner wollten die Faktoren genauer untersuchen, welche die Entstehung eines HAPE begünstigen können. Die Beobachtung, dass sich bei betroffenen Personen in der Höhe weniger Sauerstoff im Blut befindet als bei der übrigen Bevölkerung, lenkte ihre Aufmerksamkeit auf das Foramen ovale, jene Öffnung zwischen dem rechten und linken Vorhof des Herzens, die normalerweise von einer feinen Membran verschlossen ist. Beim Fötus ist die Vorhofscheidewand noch offen, sie schließt sich im Allgemeinen in den Monaten nach der Geburt. Damit kann das Blut nicht mehr direkt von einem Vorhof in den anderen gelangen und ist gezwungen, den Weg über die Lungen zu nehmen, wo es Sauerstoff aufnimmt. Bei 25 Prozent der Bevölkerung ist das Foramen ovale jedoch durchlässig. „Die Membran ist nicht vollständig geschlossen oder hat sich wieder geöffnet. Eine Anomalie, die sich in den meisten Fällen nicht durch Beschwerden bemerkbar macht“, erklärt Allemann.

Tests im Höhenforschungslabor

Könnte es sein, dass sich bei Patienten, die anfällig für ein Höhenlungenödem sind, die Membran während eines Höhenaufenhalts öffnet, der Lungenkreislauf dadurch kurzgeschlossen und das Blut nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird? Um diese Hypothese zu prüfen, suchten die Forscher 35 Freiwillige, von denen die Hälfte bereits einmal ein HAPE entwickelt hatten und deshalb für diese Krankheit anfällig waren, während die andere Hälfte noch nie Probleme dieser Art hatte. Begleitet von Bergführern stiegen die Alpinistinnen und Alpinisten in 24 Stunden zum Höhenforschungslabor der Regina-Margherita-Hütte (4.559 Meter) im Monte Rosa-Gebiet auf. Dort wurden Tests durchgeführt, um den Zustand ihres Foramen ovale zu untersuchen.

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Die Ergebnisse dieser Studie, die kürzlich im Journal of the American Medical Association veröffentlicht wurden, lassen keine Zweifel offen. „Bei den HAPE-anfälligen Personen fand sich beim Aufenthalt in der Höhe vier bis fünfmal häufiger ein offenes Foramen ovale“, fasst Scherrer zusammen. Dieses Phänomen wurde bei den Probanden selbst dann noch festgestellt, als sie sich bereits wieder im Tal befanden. „Das ist erstaunlich“, stellt der Arzt fest. Diese Beobachtung deutet nämlich darauf hin, dass die Öffnung der Vorhofscheidewand in diesem Fall nicht reversibel ist. „Unsere Studien-Hypothese hat sich bestätigt“, betont Urs Scherrer. „Es besteht tatsächlich ein Zusammenhang zwischen einem offenen Foramen ovale und dem Höhenlungenödem.“

Klinische Auswirkungen

Diese Ergebnisse werfen ein neues Licht auf den Entstehung des HAPE und könnten Auswirkungen auf seine Behandlung haben. „Es wäre denkbar, dass Personen mit erhöhtem Risiko für ein HAPE vorgeschlagen wird, ihr Foramen ovale schließen zu lassen“, erklärt Urs Scherrer. „Umso mehr als der Eingriff, der mittels Katheter erfolgt, gut etabliert, einfach und relativ wenig invasiv ist“, ergänzt sein Kollege, der Kardiologe Allemann. Bevor eine solche Behandlung vorgeschlagen wird, muss die Hypothese jedoch nach wissenschaftlichen Kriterien genau geprüft werden.

Von den Ergebnissen dieser Studie könnten auch Personen profitieren, die unter Schlafapnoe leiden. Diese Störung, bei der während des Schlafs häufig längere Atemstillstände eintreten, scheint auf den ersten Blick nichts mit einem Lungenödem zu tun zu haben. „Es wurde jedoch festgestellt, dass bei diesen Patienten während den Zeiträumen mit Atemstillstand die Sauerstoffsättigung des Bluts weit unter normalen Werten lag und das Foramen ovale ausserdem oft durchlässig war“, erklärt Urs Scherrer. So verschieden sie sich äußern, könnte beiden Krankheiten ein ähnlicher Mechanismus zu Grunde liegen. Es wäre deshalb möglich, dass Personen mit Schlafapnoe ebenfalls davon profitieren könnten, wenn die berüchtigte Lücke im Herzen geschlossen würde.

(Schweizerischer Nationalfonds, 23.03.2007 – DLO)

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