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Medizin

Unis halten Studienergebnisse zurück

Resultate vieler Arzneimittelstudien werden nicht regelkonform veröffentlicht

Längst nicht jedes Studienergebnis wird wie vorgeschrieben im EU-Register veröffentlicht. © Scanrail/ iStock.com

Mangelnde Transparenz: Die Ergebnisse klinischer Studien müssen laut EU-Gesetz in einem zentralen Register öffentlich gemacht werden. Doch eine Auswertung zeigt nun: Tatsächlich findet das nur bei der Hälfte der Untersuchungen mit Arzneimitteln statt. Besonders schlecht stehen dabei nichtkommerzielle Forschungseinrichtungen wie Universitäten da – sie hielten sich nur in elf Prozent der Fälle an die geltende Regel. Pharmafirmen schnitten dagegen bedeutend besser ab.

Klinische Studien bilden die Grundlage für Arzneimittelzulassungen und Entscheidungen der Gesundheitsbehörden. Ergebnisse aus solchen Untersuchungen nicht zu veröffentlichen, ist daher kein Kavaliersdelikt. Schließlich lässt sich der Nutzen medizinischer Maßnahmen nur auf Basis vollständiger Daten richtig abschätzen. Doch genau die stehen Entscheidungsträgern häufig nicht zur Verfügung. So ist beispielsweise schon lange bekannt, dass Studien mit negativen Ergebnissen oft zurückgehalten werden und durch diesen Publikationsbias ein verzerrtes Bild entstehen kann.

Um dieser Problematik entgegenzuwirken, haben Institutionen wie die US-Arzneimittelbehörde und auch die Europäische Kommission inzwischen strengere Regeln hinsichtlich der Veröffentlichungspraxis eingeführt: Seit 2012 müssen laut EU-Gesetz geplante klinische Studien in einem zentralen Register (EUCTR) eingetragen und deren Ergebnisse ein Jahr nach Studienabschluss dort für die Öffentlichkeit zugänglich dokumentiert werden. Doch findet das tatsächlich statt?

Die Hälfte fehlt

Ben Goldacre von der University of Oxford und seine Kollegen sind dieser Frage nun nachgegangen. Sie schauten sich im Januar 2018 sämtliche zu diesem Zeitpunkt beim EUCTR registrierte Studien mit Arzneimitteln an. Dabei identifizierten sie insgesamt 7.272 Untersuchungen, die der Regulierung zufolge einer Berichtspflicht unterliegen und ihre Ergebnisse bereits hätten publizieren müssen.

Die Auswertung zeigte aber: Nur bei knapp der Hälfte dieser Studien waren die entsprechenden Daten ordnungsgemäß im Register veröffentlicht worden. Regelkonformes Verhalten ließen dabei erstaunlicherweise vor allem nichtkommerzielle Forschungseinrichtungen wie Universitäten vermissen. So stellten sie nur in elf Prozent der Fälle ihre Ergebnisse termingerecht zur Verfügung. Bei Pharmafirmen lag die Quote dagegen bei 68,1 Prozent, wie die Forscher berichten.

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Unvollständige Daten

Unter den „schwarzen Schafen“ sind auch deutsche Institutionen wie die Charité Berlin sowie die Universitäten Köln und Heidelberg, die jeweils null Prozent ihrer fälligen Studien eingetragen haben. „Dass mit Steuergeldern finanzierte Universitäten ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommen, ist besonders unerfreulich“, kommentiert der nicht an der Untersuchung beteiligte Jürgen Windeler vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen in Köln. „Überrascht hat uns das aber nicht. Denn das Institut hat in der Vergangenheit schon mehrfach erlebt, dass Studienverantwortliche aus Universitäten Daten zurückhielten.“

Doch nicht nur das Zurückhalten von Ergebnissen ist offenbar ein Problem: Goldacres Team stellte bei weiteren Analysen außerdem fest, dass bestimmte Angaben im EU-Register immer wieder widersprüchlich, fehlerhaft oder unvollständig sind. So war bei knapp 30 Prozent von 11.531 als „abgeschlossen“ markierten Arzneimittelstudien zum Beispiel kein konkretes Abschlussdatum angegeben. Das bedeutet: Es lässt sich gar nicht ohne weiteres erkennen, ob die Ergebnisse bereits fällig sind und die Studienverantwortlichen ihren Verpflichtungen nachgekommen sind.

Sanktionen nötig?

Zwar muss hinter all diesen Fällen keine böswillige Absicht stecken. Schlampigkeit oder Zeitmangel könnten ebenfalls Gründe für die fehlenden Ergebnisberichte sowie lückenhaften Angaben sein. Die hohe Compliance-Rate bei kommerziellen Forschungseinrichtungen zeige aber, dass es gehe, so das Fazit der Forscher.

Klar scheint: In Sachen Datentransparenz besteht in der medizinischen Forschung noch Nachholbedarf. „Es braucht wohl Sanktionen, um das zügig zu ändern“, glaubt Windeler. Eine Möglichkeit bestünde ihm zufolge darin, dass Forschungsförderer bestimmte Auflagen machen: Sie sollten überprüfen, ob ein Antragsteller sein letztes gefördertes Projekt vollständig in das Register eingestellt hat und gegebenenfalls weitere Finanzierungen verweigern.

Weil Studien auch ohne Förderung durchgeführt werden, sollten laut Windeler zudem die Ethikkommissionen nachhalten, ob rechtliche Regelungen wie der Eintrag in das EU-Register befolgt werden – die Ethikkommissionen kennen alle klinischen Studien, die es in einer Region oder an einer Universität gibt. (BMJ, 2018; doi: 10.1136/bmj.k3218)

(BMJ/ Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 25.09.2018 – DAL)

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