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Medizin

Übergewicht schädigt schon junge Gehirne

Bei fettleibigen Teenagern zeigen sich Hinweise auf Schäden an der weißen Hirnsubstanz

Übergewicht
Übergewicht betrifft immer mehr junge Menschen. © andriano_cz/ iStock.com

Dickes Problem: Starkes Übergewicht beeinträchtigt offenbar schon bei jungen Menschen auch das Gehirn. Wie eine Studie enthüllt, zeigen sich bei fettleibigen Teenagern krankhafte Veränderungen der weißen Hirnsubstanz. Betroffen sind dabei unter anderem Regionen, die für Emotionen und wichtige kognitive Funktionen zuständig sind. Möglicherweise sind Entzündungsprozesse im Gehirn für dieses Phänomen verantwortlich.

Starkes Übergewicht ist ein weltweites Problem, das auch immer mehr Kinder und Jugendliche betrifft. Einer Studie aus dem Jahr 2017 zufolge leiden inzwischen 124 Millionen Fünf- bis 19-Jährige an Fettleibigkeit. Die überflüssigen Pfunde können schon in jungen Jahren gesundheitliche Beschwerden bereiten, langfristig erhöht sich zudem das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Doch nicht nur das: Auch im Gehirn hinterlässt das Übergewicht seine Spuren. So haben Wissenschaftler unter anderem Hinweise darauf gefunden, dass die weiße Hirnsubstanz bei Adipositas-Patienten früher abbaut als bei schlankeren Menschen – das Denkorgan altert demnach schneller.

Weiße Substanz im Blick

Wie sehr sich solche schädlichen Veränderungen bereits im Gehirn Jugendlicher abzeichnen, hat nun ein Forscherteam um Pamela Bertolazzi von der Universität Sao Paulo in Brasilien untersucht. Für ihre Studie blickten die Wissenschaftler 59 adipösen und 61 normalgewichtigen Teenagern im Alter zwischen zwölf und 16 Jahren ins Denkorgan.

Mithilfe der sogenannten diffusionsgewichteten Magnetresonanztomografie (MRT) nahmen sie dabei die Diffusionsbewegungen von Wassermolekülen im Nervengewebe der weißen Substanz unter die Lupe. Der Grund: Anhand dieser Ergebnisse lassen sich Werte zum Zustand des Hirngewebes ableiten – zum Beispiel der sogenannte fraktionale Anisotropiewert (FA-Wert). Ist dieser reduziert, deutet dies auf Schäden hin.

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Messbare Veränderungen

Die Ergebnisse offenbarten: Tatsächlich gab es deutliche Unterschiede zwischen den dicken und den normalgewichtigen Jugendlichen. So gingen die überflüssigen Pfunde oftmals mit reduzierten FA-Werten einher, wie die Forscher feststellten. Vor allem Regionen im Corpus callosum, das die beiden Hirnhälften miteinander verbindet, waren demnach betroffen.

Darüber hinaus zeigten sich auch im mittleren orbitofrontalen Cortex – dem Stirnhirn – Hinweise auf Schädigungen der weißen Substanz. „Die Hirnveränderungen bei den übergewichtigen Heranwachsenden betrafen wichtige Bereiche, die für Appetitkontrolle, Emotionen und kognitive Funktionen zuständig sind“, erklärt Bertolazzi.

Entzündungen als mögliche Ursache

Interessanterweise schien es einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Hirnveränderungen und der Konzentration der Hormone Leptin und Insulin zu geben. Bei übergewichtigen Menschen reagiert das Gehirn oftmals nicht mehr auf das Sättigungshormon Leptin. Als Folge essen sie weiter, obwohl ihre Fett- und Energiespeicher gut gefüllt sind. Auch gegenüber dem Hormon Insulin entwickelt der Körper Übergewichtiger oft eine Resistenz – sie gilt als Indiz für eine sich anbahnende Diabetes-Typ-2-Erkrankung.

„Darüber hinaus haben wir eine positive Korrelation mit weiteren Entzündungsmarkern festgestellt“, berichtet Bertolazzi. Sie und ihre Kollegen glauben daher, dass möglicherweise nicht nur die Leptin- und Insulinresistenz eine Rolle für das Phänomen spielen. Die Schäden im Denkorgan könnten demnach mit allgemeinen neuronalen Entzündungsprozessen in Verbindung stehen.

Reversibel oder nicht?

Ob dies tatsächlich der Fall ist und welcher Mechanismus im Detail dahintersteckt, sollen in Zukunft weitere Studien zeigen. Dabei wollen die Wissenschaftler auch herausfinden, ob sich die Veränderungen im Gehirn durch Gewichtsverlust rückgängig machen lassen oder nicht. „Wir werden die Hirnscans daher noch einmal wiederholen, wenn die Jugendlichen an einem professionellen Abnehmprogramm teilgenommen haben“, schließt Bertolazzi. (Radiological Society of North America, 105th Scientific Assembly and Annual Meeting 2019; Abstract)

Quelle: Radiological Society of North America

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