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Medizin

Therapie gegen Zöliakie in Sicht?

Nanopartikel gewöhnen das Immunsystem erfolgreich an das Klebereiweiß Gluten

Glutenunverträglichkeit
Menschen mit Zöliakie vertragen das in vielen Getreidearten enthaltene Gluten nicht. © Tefim/ iStock.com

Hoffnung für Zöliakie-Patienten: Ein neuer Therapieansatz gegen Zöliakie hat sich erfolgreich in einer klinischen Phase-2-Studie bewährt. Bei der Behandlung wird das Immunsystem mithilfe spezieller Nanopartikel an das in Weizen und Co enthaltene Gluten gewöhnt. Betroffene vertrugen das Klebereiweiß dadurch deutlich besser und entwickelten weniger Darmentzündungen, wie die Forscher berichten. Ihr Ansatz eignet sich womöglich auch für die Therapie von Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose oder Allergien.

Rund ein bis zwei Prozent der Menschen in Europa haben Zöliakie. Das heißt: Sie vertragen das in vielen Getreidearten enthaltene Klebereiweiß Gluten nicht. Denn dieser Stoff veranlasst ihr Immunsystem dazu, eine Abwehrreaktion in Gang zu setzen. Der Darm kann dadurch auf Dauer empfindlich geschädigt werden. Patienten müssen daher eine strenge Diät einhalten und ein Leben lang auf Weizen, Dinkel, Roggen und Co verzichten.

Wirksame Therapien gegen diese Form der Glutenunverträglichkeit gibt es bisher nicht. Allerdings wird an einer Reihe von Strategien geforscht, die die körpereigene Abwehr an das Klebereiweiß gewöhnen sollen oder das Gluten im Darm unschädlich machen. Stephen Miller von der Northwestern University in Chicago und seinen Kollegen ist in diesem Zusammenhang nun ein wichtiger Schritt gelungen: Sie haben eine potenzielle Zöliakie-Therapie erfolgreich in einer klinischen Phase-2-Studie getestet.

Gluten im Trojanischen Pferd

Die Mediziner versuchen das Immunsystem mithilfe biologisch abbaubarer Nanopartikel auszutricksen, die das Gluten wie in einem Trojanischen Pferd in den Körper schleusen. Die Idee dahinter: Verpackt in dieser harmlosen Hülle nimmt das körpereigene Abwehrsystem das Klebereiweiß nicht als Eindringling war und die schädliche Immunreaktion bleibt aus. Stattdessen werden Nanopartikel und Gluten als Zellmüll wahrgenommen und mithilfe von Makrophagen „aufgeräumt“.

Bei diesem Prozess präsentieren diese Fresszellen dem Immunsystem das Gluten-Antigen und vermitteln ihm: „Keine Sorge, das gehört hier hin und ist nicht gefährlich.“ Als Folge reagiert die Abwehr später auch dann nicht mehr alarmiert, wenn das Klebereiweiß ohne schützende Hülle in den Körper gelangt.

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Deutlich weniger Entzündungen

Wie gut das funktioniert, testeten Miller und sein Team an einer kleinen Gruppe von Zöliakie-Patienten. Im Experiment wurden den Probanden mit Gliadin beladene Nanopartikel ins Blut gespritzt – dieses im Gluten enthaltene Protein ist wesentlich verantwortlich für die unerwünschte Immunreaktion gegenüber Getreideprodukten. Eine Woche nach der Behandlung mit den sogenannten CNP-101-Nanopartikeln nahmen die Betroffenen 14 Tage lang Gluten zu sich. Was würde passieren?

Es zeigte sich: Mit den Nanopartikeln behandelte Patienten reagierten im Vergleich zu nicht behandelten Betroffenen deutlich weniger stark auf die glutenreiche Ernährung. Konkret fielen die durch das Klebereiweiß ausgelösten Entzündungsreaktionen um 90 Prozent geringer aus, wie die Forscher berichten. Demnach scheint CNP-101 das Potenzial zu haben, den Darm vor Schäden zu bewahren.

Auch für Erdnussallergie und Co?

„Dies ist der erste Beleg dafür, dass unsere Technologie im Patienten funktioniert“, konstatiert Miller. Dies sei ein wichtiger Schritt hin zu einer wirksamen Therapie. „Bisher können Ärzte lediglich eine glutenfreie Diät verschreiben. Doch das funktioniert nicht immer und ist für die Betroffenen mit sozialen und ökonomischen Tributen verbunden“, so der Immunologe.

Bestätigen weitere Untersuchungen den Nutzen dieser Behandlung, könnten davon langfristig nicht nur Zöliakie-Patienten profitieren. Denn wie die Wissenschaftler betonen, lässt sich ihr Nanopartikel-Ansatz womöglich auch für andere Erkrankungen und Allergien nutzen – zum Beispiel Multiple Sklerose, Diabetes Typ 1 oder die Erdnussallergie. (European Gastroenterology Week, 2019)

Quelle: Northwestern University

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