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Medizin

Spermien: „Handschlag“ mit Gebärmutter

Rezeptoren auf den Zellen der Uterusschleimhaut können Spermien erkennen und binden

Spermien und Ei
Bis Spermien an ihrem Ziel sind, haben sie einen weiten und schweren Weg. © Sashkinw/ iStock.com

Geheimnisvolle Interaktion: Die Zellen in der weiblichen Gebärmutterschleimhaut gehen offenbar eine bisher unbekannte Bindung mit Spermien ein. Wie Forscher berichten, erkennen die Schleimhautzellen bestimmte Moleküle auf der Oberfläche der Spermien – möglich machen dies spezielle Rezeptoren. Die Bedeutung dieser Interaktion ist zwar noch unklar. Sie könnte jedoch eine wesentliche Rolle im Wettlauf zur Eizelle spielen und den Samenzellen das Überleben erleichtern.

Spermien haben es nicht leicht: Auf ihrem Weg zur Eizelle müssen sie im Wettstreit mit Millionen Konkurrenten durch zähen Schleim schwimmen, widrige chemische Umgebungen passieren und auch noch eine gezielte Attacke des weiblichen Immunsystems überstehen. Denn sobald die Samenzellen den Uterus erreichen, werden sie von Makrophagen und Neutrophilen, einem Untertyp weißer Blutkörperchen, angegriffen. Diese Reaktion des angeborenen Immunsystems reduziert die Zahl der potenziellen Befruchtungspartner drastisch. Nur wenige hundert Spermien gelangen anschließend in den Eileiter.

Hilft die Interaktion mit den Zellen der Gebärmutterschleimhaut Spermien beim Überleben? © American Society for Biochemistry and Molecular Biology

Oberflächenmoleküle im Visier

Doch was bestimmt, welche Samenzellen die Attacke des körpereigenen Abwehrsystems überleben? Dieser Frage sind nun Wissenschaftler um Eillen Tecle von der University of California in San Diego nachgegangen. Sie interessierte besonders, welche Rolle sogenannte Glykane auf der Oberfläche der Spermien in diesem Zusammenhang spielen. Das Ende einiger dieser Moleküle besteht nämlich aus Sialinsäuren – und genau diese Stoffe nutzt das Immunsystem, um zwischen fremd und eigen zu unterscheiden.

Für ihre Studie testeten Tecle und ihre Kollegen zunächst, ob die Sialinsäuren auf den Spermien möglicherweise die Aktivierung von Immunzellen wie den Neutrophilen verhindern können. Überraschenderweise zeigte sich jedoch: Es machte keinen Unterschied, ob eine Samenzelle reich an Sialinsäuren auf ihrer Oberfläche war oder wenige bis gar keine dieser Verbindungen auf ihrer Oberfläche exprimierte.

Rezeptoren erkennen Spermien

Welche Rolle aber spielten diese Stoffe dann? Im Rahmen ihrer Untersuchungen stellten die Forscher zufällig fest, dass die Zellen der Gebärmutterschleimhaut Bindungsstellen für Sialinsäure besitzen. Mithilfe dieser sogenannten Siglec-Rezeptoren können die Zellen an Spermien binden – zumindest in Lösung im Reagenzglas tun sie dies auch.

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Kommt dieser „heimliche Handschlag“ zwischen Uteruszellen und Spermien auch im Körper vor, könnte dies von entscheidender Bedeutung für den Ablauf des Rennens zur Eizelle sein. Vielleicht führt das Erkennen der Sialinsäuren über die Siglecs dazu, dass die Abwehrreaktion des Körpers gedrosselt wird, so die Vermutung der Wissenschaftler. „Diese Klasse von Rezeptoren hilft dem Immunsystem dabei, Sialinsäuren als eigen zu registrieren. In Folge werden zum Beispiel Entzündungsprozesse heruntergefahren“, erklären sie.

Bedeutung noch unklar

Alternativ könnten die Uteruszellen die Interaktion mit den Samenzellen nutzen, um minderwertige Spermien auszusortieren. Welche dieser Erklärungsansätze stimmt, ist allerdings noch völlig unklar. „Es ist fast schon peinlich, wie wenig wir bisher über die Bedeutung dieser Interaktion wissen“, konstatiert Tecles Kollege Pascal Gagneux. Klar sei bisher nur: „Es gibt Siglec-Rezeptoren im weiblichen Fortpflanzungstrakt und diese können Sialinsäure-reiche Glykane auf menschlichen Spermien erkennen“, resümiert das Team.

Um mehr über die Auswirkungen dieses neu entdeckten Zusammenspiels zwischen den Zellen der Gebärmutterschleimhaut und den Spermien herauszufinden, sind in Zukunft weitere Untersuchungen nötig. „Tiefergehende Erkenntnisse über diese Interaktionen bedürfen Experimente mit Samenzellen und intaktem Gebärmuttergewebe“, erklären die Forscher. So ließe sich zum Beispiel überprüfen, ob sich durch die Verbindung mit den Spermien von den Schleimhautzellen ausgehende Signale verändern. (Journal of Biological Chemistry, 2019; doi: 10.1074/jbc.RA119.008729)

Quelle: American Society for Biochemistry and Molecular Biology

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