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Ernährung

Sind Vegetarier anders?

Fleischarme Ernährung zeigt sich an der Figur, aber auch an der Persönlichkeit

vegetarisch
Bringt eine fleischlose Ernährung andere Merkmale mit sich? © YelenaYemchuk/ iStock.com

Gibt es Merkmale, die Vegetarier von Fleisch- oder Allesessern unterscheiden? Diese Fragen haben Forscher jetzt an mehr als 9.000 Personen untersucht. Es zeigte sich: Wer kein oder kaum tierische Produkte isst, hat im Schnitt einen geringeren Body-Mass-Index. Gleichzeitig sind Vegetarier tendenziell introvertierter, wie eine Persönlichkeitsanalyse ergab. Einen Zusammenhang zu Depression oder Neurotizismus konnte die Forscher dagegen nicht feststellen.

Der Verzicht auf Fleisch und tierische Produkte liegt im Trend. Schätzungen zufolge ernähren sich bis zu zehn Prozent der Menschen in Deutschland vegan oder vegetarisch – Tendenz steigend. Die fleischlose Ernährung soll das Tierleid verringern und noch dazu Ressourcen und das Klima schonen. Außerdem gilt fleischarme Kost als gesund und kann unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen.

Das Problem jedoch: Weil gerade bei der Ernährung viele weitere Einflussfaktoren mit ins Spiel kommen, ist es schwer, bestimmte Merkmale eindeutig der vegetarischen Lebensweise zuzuschreiben. Denn oft sind Vegetarier ohnehin sportlich, gesundheitsbewusst und eher gebildet – und all das beeinflusst auch ihre Lebensweise und damit Gesundheit.

Drei Annahmen im Test

Um dieses Dickicht zu lichten, haben nun Evelyn Medawar vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig drei Hypothesen zu vermeintlich typischen Merkmalen von Vegetariern in einer großangelegten Studie untersucht. Dazu gehörte die Annahme, dass Vegetarier im Schnitt schlanker sind als Fleischesser, dass sie sich in ihrem Persönlichkeitstyp unterscheiden und dass sie eher zu Depressionen neigen.

Dafür wurden knapp 9.000 Menschen in Leipzig über drei Jahre hinweg zu ihrer Ernährung und dem Anteil tierischer Produkte an ihrem Speiseplan befragt. Parallel dazu führten die Forscher standardisierte Tests zu Persönlichkeitsmerkmalen und Depressionsneigung durch und ermittelten den Body-Mass-Index (BMI).

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Vegetarier sind tendenziell schlanker

Die Auswertung ergab: Menschen mit weniger Fleisch und tierischen Produkten auf dem Speiseplan sind tendenziell tatsächlich schlanker – und dies unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildungsstand. Körpergewicht und Body-Mass-Index von Vegetariern waren im Schnitt geringer als die von Fleischessern, wie die Forscher ermittelten. Der Unterschied war zwar nur gering, aber signifikant.

„Dass eine Person einen 1,2 Punkte niedrigeren BMI hatte, bedeutete im Durchschnitt, dass sie auf bestimmte tierische Produkte ganz verzichtete und sich vegetarisch ernährte“, erklärt Medawar. „Oder dass sie zwar auch weiterhin Fleisch und Fisch aß, diese dafür aber insgesamt seltener.“ Umgerechnet auf eine rund 1,75 Meter große Person könnte der Unterschied im Fleischanteil immerhin rund vier Kilogramm ausmachen. Erklärbar wäre dies unter anderem dadurch, dass Fleisch kaloriendichter ist als die meisten Gemüse.

Auf die Art der tierischen Lebensmittel kommt es an

In Bezug auf das Körpergewicht machte es aber auch einen Unterschied, welche tierischen Produkte die Teilnehmer aßen. Standen vorwiegend primäre Tierprodukte wie Fleisch, Wurst und Fisch auf dem Speiseplan, war der BMI höher als bei denjenigen, die viele sekundäre Tierprodukte wie Eier, Milch, Milchprodukte, Käse und Butter aßen.

Eine mögliche Erklärung dafür sieht das Team darin, dass viele Fleischesser stark verarbeitete Lebensmittel wie Wurst und Fertiggerichte zu sich nehmen – und die haben es in sich. „Dick machen vor allem übermäßig fett- und zuckerreiche Produkte. Verzichtet man auf tierische Nahrungsmittel, nimmt man im Schnitt weniger solcher stark verarbeiteten Produkte zu sich“, erklärt Medawar.

Introvertierter, aber nicht neurotischer

In Bezug auf die Persönlichkeitstypen ergab die Studie: Vegetarier sind tendenziell introvertierter als solche, die alles essen oder viel Fleisch auf dem Speiseplan haben. „Woran das liegt, ist schwer zu sagen“, sagt Medawars Kollegin Veronica Witte. „Es könnte daran liegen, dass introvertiertere Personen eher zu restriktiverem Essverhalten neigen oder sich aufgrund ihres Essverhaltens stärker sozial abgrenzen.“

Im Gegensatz zu den Erwartungen zeigte sich dafür kein Zusammenhang von Vegetarismus und dem Persönlichkeitsmerkmal des Neurotizismus. „Frühere Analysen hatten herausgefunden, dass neurotischere Menschen generell häufiger bestimmte Gruppen an Lebensmitteln weglassen und sich dahingehend restriktiver verhalten“, berichtet Witte. „Wir konnten hier keine Korrelation beobachten.“

Keine Neigung zur Depression

Keinen Zusammenhang konnten die Wissenschaftler zwischen einer Neigung zur Depression und der fleischlosen Ernährung feststellen. „Auch das konnten wir nicht erkennen“, sagt Witte. „Möglicherweise haben in früheren Analysen andere Faktoren die Ergebnisse verwischt, darunter der BMI oder auffällige Persönlichkeitsmerkmale, die bekanntermaßen mit Depressionswerten zusammenhängen können. Die rechneten wir heraus.“

Insgesamt legen die Ergebnisse somit nahe, dass eine vegetarische oder stark fleischreduzierte Kost dabei helfen könnte, schlank zu bleiben oder zu werden. Gleichzeitig scheinen Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen eher dazu zu neigen, ihre Ernährung entsprechend umzustellen und auf bestimmte tierische Produkte zu verzichten. Wie genau aber die Zusammenhänge sind und welche psychischen und biologischen Mechanismen dahinterstecken, müssen weitere Studien erst klären, wie Medawar und ihre Kollegen betonen. (Nutrients, 2020; doi: 10.3390/nu12051492)

Quelle: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften

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