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Medizintechnik

Schlafkrankheit schon vor ersten Symptomen nachweisbar

Forscher haben ein System zur Früherkennung des Erregers im Blut entwickelt

Trypanosoma-Erreger durch das Lichtmikroskop gesehen. Hier: im Blut eines Patienten. © CDC/ gemeinfrei

Wissenschaftler haben eine Methode entwickelt mit der sich die Erreger der Schlafkrankheit schnell und kostengünstig bereits vor Ausbruch der Krankheit im Blut nachweisen lassen. Dies sei wichtig, so die Darmstädter Forscher, denn zeigten sich die ersten Symptome, seien die Patienten häufig nur noch schwer zu behandeln und würden in vielen Fällen an der Erkrankung oder den starken Nebenwirkungen der Medikamente, sterben. Habe man jedoch ein Mittel zur Früherkennung der von der Tsetse-Fliege übertragenen Parasiten, könne vielen Menschen in den afrikanischen Tropen und deren ebenfalls befallenen Nutztieren geholfen werden.

Bis jetzt ist die afrikanische Schlafkrankheit eine vor allem südlich der Sahara weit verbreitete Infektionskrankheit; 60 Millionen Menschen sind täglich ansteckungsgefährdet von denen jedoch nur 4 Millionen medizinisch überwacht werden. Nach Annahmen amerikanischer Forscher wird sich der Erreger durch die Klimaerwärmung immer weiter ausbreiten, womit sich das Problem auf weitere 40 bis 77 Millionen Menschen ausweiten könnte.

Schuld ist ein Parasit der Gattung Trypanosoma, an dem Infizierte ohne medizinische Behandlung in jedem Falle sterben. Erste Anzeichen einer Erkrankung sind etwa Kopfschmerzen und Fieber, nach Wochen oder Monaten kommen Verwirrtheit, Koordinationsschwierigkeiten und Schlafstörungen hinzu. Eine Therapie in einem solch fortgeschrittenen Stadium ist schwierig, da die Parasiten bereits in das Zentralnervensystem vorgedrungen sind, wo sie irreversible Schäden verursachen. Außerdem stehen ab diesem Zeitpunkt nur noch hochtoxische Medikamente wie Arsenverbindungen zur Verfügung. Wegen der schweren Nebenwirkungen muss die Behandlung im Krankenhaus vorgenommen werden und nicht selten kostet sie den Patienten sogar das Leben.

Vernachlässigte Krankheiten – uninteressant für die Pharmaindustrie?

Die auch als Afrikanische Trypanosomiasis bekannte Infektion gehört laut WHO (Weltgesundheitsorganisation) zu den „vernachlässigten Krankheiten“. Hierbei handelt es sich um Infektionskrankheiten, die vor allem in besonders armen Teilen der Welt jährlich tausende Todesopfer fordern. Allerdings sehen die in den Industrienationen ansässigen Pharmakonzerne offenbar kein finanzielles Potential in deren Behandlung. Um dennoch eine Kontrolle der sich ausweitenden Infektionserkrankung zu gewährleisten, suchten die Forscher der Technischen Universität Darmstadt nach einem kostengünstigeren Verfahren zur Diagnose. Dazu haben Ulrich Göringer und seine Kollegen zwei bereits bestehende Systeme erstmals miteinander kombiniert: Das Potentiometer und die sogenannten Aptamere alias Spiegelmere.

Das Messgerät (Potentiometer) kann anhand von Spannungsänderungen in einer zu vermessenden Flüssigkeit – in diesem Falle dem Blut – eine enthaltene Substanz oder größere Bestandteile detektieren. Dazu müssen die Bestandteile allerdings eine elektrische Ladung tragen bzw. ionisch sein. Diese Eigenschaft besitzen die Aptamere, die zusätzlich spezifisch an einen Bestandteil der untersuchten Flüssigkeit – hier ein Protein des Erregers – binden können. Ihre elektrische Ladung ist abhängig davon, ob ein Molekül an sie gebunden ist oder nicht. Erkennen die Aptamere also Trypanosomen im Blut eines Patienten, verändert sich ihre Ladung und das Potentiometer kann dies als Spannungsänderung detektieren und gibt so Aufschluss über eine etwaige Infektion. Dies ist möglich, weil das Aptamer, ein aus DNA – oder RNA-Strängen aufgebautes Molekül, wie ein Schlüssel zu einem Schloss passt und somit nur jene Bestandteile bindet, die nachgewiesen werden sollen.

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Struktur eines Aptamers zur Detektion von Erregern der Schlafkrankheit © TU Darmstadt

Mit nur wenigen Blutstropfen

„Wir können nun schon vor dem Ausbruch der Krankheit mit wenigen Blutstropfen herausfinden, ob ein Mensch infiziert ist oder nicht“, berichtet Göringer. Das System sei zudem auch für andere Krankheiten anwendbar. Es müssen lediglich die jeweils richtigen – das heißt konstanten Regionen eines Erregers – ermittelt und synthetisch ein passendes Spiegelmer entwickelt werden. „Das Messverfahren ist denkbar einfach“, sagt der Darmstädter Forscher, „es ist keinerlei biochemische Aufbereitung notwendig“. Stattdessen könne man die Messlösung mit den Aptameren einfach auf Papier oder Kunststoff aufsprühen und so als Teststreifen anbieten. So könne man etwa verschiedene spezifische Aptamere kombinieren und so Nachweissysteme anbieten, die für mehrere Krankheiten gleichzeitig und schnell Ergebnisse liefern.

Da das System mit zurzeit fünf US-Dollar bereits vor dem Einstieg in die Massenproduktion zu günstig ist und damit ein zu geringes wirtschaftliches Potential hat, halte sich das Interesse der Pharmaindustrie jedoch in Grenzen. Dennoch sind die Darmstädter optimistisch einen industriellen Partner für die Großproduktion zu bekommen: „In zwei bis drei Jahren wollen wir die Massenproduktion möglich gemacht haben, wodurch das Verfahren noch billiger werden sollte“, prognostiziert Göringer. Werde das System als Teststreifen oder als Messchips produziert, könne der Preis auf zwei Dollar sinken, sind sich die Forscher einig. Dies würde auch dem von der WHO als vertretbar festgesetzten Kostenpunkt für die Kontrolle einer „vernachlässigten Krankheit“ entsprechen.

(TU Darmstadt, 13.12.2012 – KBE)

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