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Mikrobiologie

Scharlach: Rückkehr durch „Superantigene“

Neu von Viren übernommene Gene machen den Scharlacherreger aggressiver

Streptococcus pyrogenes
Scharlach ist wieder auf dem Vormarsch – verursacht von einer neuen Variante des Erregers Streptococcus pyrogenes. © National Institutes of Health (NIH)

Lange galt Scharlach als fast ausgestorben, doch jetzt ist die Infektionskrankheit zurück: In den letzten Jahren ist die Fallzahl um das Fünffache gestiegen. Eine Ursache dafür haben nun Forscher entdeckt: Der Erreger Streptococcus pyrogenes hat neue Gene von bakterienbefallenden Viren übernommen. Deren „Superantigene“ machen ihn toxischer, infektiöser und resistent gegen einige gängige Antibiotika, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Bis zur Entdeckung des Penicillins und dem Siegeszug der Antibiotika war Scharlach eine weitverbreitete Kinderkrankheit. Die Infektion verursacht Fieber, Halsschmerzen und rote Hautausschläge, kann aber im seltenen Extremfall auch zu einer schweren systemischen Erkrankung, toxischem Schock und sogar zum Tod führen. Scharlach ist jedoch mit Antibiotika gut behandelbar und galt daher seit den 1940er Jahren fast als ausgestorben.

Bakterium mit viralen Genen

Doch seit rund zehn Jahren häufen sich weltweit Ausbrüche von Scharlach – vor allem in Asien, aber auch in anderen Teilen der Welt. „Diese globale Wiederaufflammen des Scharlachs hat zu einem fünffachen Anstieg der Krankheitsfälle geführt“, sagt Erstautor Stephan Brouwer von der University of Queensland. „Es gibt inzwischen wieder mehr als 600.000 Fälle weltweit.“ Woran dies liegt, haben er und sein Team nun näher untersucht.

Bekannt ist bereits, dass Scharlach von Bakterien wie Streptococcus pyrogenes ausgelöst wird. Normalerweise verursachen sie kaum Beschwerden oder höchstens eine Mandelentzündung. Doch wenn die Erreger von Viren befallen sind – sogenannten Prophagen – ändert sich dies. Dann übernehmen sie einige Gene von den Viren, durch die sie Toxine produzieren und freisetzen können. Diese „Superantigene“ führen zu einer Überaktivierung von Abwehrzellen und einer massiven Ausschüttung von Entzündungsbotenstoffen wie Cytokinen.

Superantigene machen Streptococcus aggressiver

Anhand von Bakterienproben der neu aufgetretenen Scharlach-Ausbrüche untersuchten die Forscher, ob es genetische und biochemische Unterschiede der neuen Isolate zu älteren Scharlacherregern gibt. Das Ergebnis: Die Mehrheit der Streptococcus-pyrogenes-Varianten aus Asien besitzt zwei neue Superantigene, SSA und SpeC, die diese Bakterien offenbar neu von den viralen Prophagen übernommen haben.

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In Tests mit Zellkulturen erwiesen sich diese Superantigene als potente Gegenspieler des menschlichen Immunsystems: „Wir haben gezeigt, dass Streptococcus pyrogenes durch diese erworbenen Toxine seine Wirt besser kolonisieren kann und dass er sich dank ihnen gegen konkurrierende Bakterienstämme durchsetzt“, berichtet Brouwers Kollege Mark Walker. „Dadurch haben diese bakteriellen Turbo-Klone unsere modernen Scharlach-Ausbrüche ausgelöst.“

Resistenzen gegen zwei Antibiotikaklassen

Ähnlich wie die alten Stämme des Scharlach-Erregers produziert auch die neue Variante ein zellwandschädigendes Enzym. Dieses erzeugt Löcher in der Membran der Wirtszellen und setzt dadurch schwefelhaltige Verbindungen, Thiole, aus dem Zellinneren frei. Doch anders als bei den alten Erregervarianten führt dies dazu, dass das Superantigen SSA verstärkt aktiviert wird. Damit tragen diese Enzyme zusätzlich zur krankmachenden Wirkung der Bakterien bei. „Unseres Wissens nach ist dies der erste Bericht über ein Thiol-aktiviertes Superantigen“, sagen die Forscher.

Die Analysen ergaben zudem, dass der neue Erregerstamm gegen zwei gängige Antibiotikaklassen immun ist. Die Streptokokken tragen demnach Resistenzen gegen Tetracycline und Makrolide in sich – beides sind Antibiotikaklassen, die in manchen Ländern häufig gegen Atemwegserkrankungen verabreicht werden. Nach Ansicht von Brouwers und seinen Kollegen sollte daher Penicillin das Mittel der Wahl gegen Scharlach und die von den Streptokokken verursachten Mandelentzündungen bleiben.

Corona-Maßnahmen bremsen auch Scharlach

Ähnlich wie das Coronavirus SARS-CoV-2 werden auch die bakteriellen Scharlach-Erreger über Tröpfcheninfektionen und auch Schmierinfektionen übertragen. Die verstärkten Hygienemaßnahmen gegen die Corona-Pandemie haben daher in diesem Jahr auch zu einem Rückgang der Scharlach-Ausbrüche geführt: „Das Social Distancing gegen Covid-19 hält momentan auch Scharlach in Schach“, sagt Walker.

Aber er und seine Kollegen rechnen damit, dass sich Scharlach wieder ausbreiten wird, sobald die Pandemie-Maßnahmen gelockert werden. „Wenn das Social Distancing nachlässt, wird auch der Scharlach zurückkommen“, sagt Walker. „Wie bei Covid-19 wird letztlich erst ein Impfstoff die Ausrottung von Scharlach ermöglichen – einer der verbreitetsten und tödlichsten Kinderkrankheiten der Medizingeschichte.“ (Nature Communications, 2020; doi: 10.1038/s41467-020-18700-5)

Quelle: University of Queensland

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