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Medizin

Raffinierte Schadstoffabwehr in der Tränenflüssigkeit

Lipocaline „berauben“ Bakterien und Pilze

Lipocaline sorgen für Eisenmangel © Medizinische Universität Innsbruck

Die Hornhaut im Auge oder die Schleimhautoberflächen in Nase und Lunge sind ständig von gefährlichen Krankheitserregern bedroht. Sie infizieren sich aber relativ selten, denn sie werden von bestimmten Sekreten geschützt. Eine Forschergruppe um Prof. Bernhard Redl vom Institut für Molekularbiologie der Medizinischen Universität Innsbruck hat nun untersucht, wie Lipocaline in der Tränenflüssigkeit vor Infektionen schützen.

Die Lipocaline gehören zu einer Gruppe kleiner Bindeproteine, die praktisch in allen Lebewesen vorkommen. Sie sind trichterförmig gebaut und können in diesem Trichter wasserunlösliche Substanzen aufnehmen, mit einer Art Deckel verschließen und über das Andocken an Rezeptorproteine in die Zellen befördern. Dieser Aufwand ist nötig, da jede Zelle viele Arten von hydrophoben Molekülen verarbeiten muss, die in der wässrigen Zellflüssigkeit nicht löslich sind. In einer früheren Forschungsarbeit war es Redl und seinem Team gelungen, die Funktionsweise der Lipocaline genauer zu entschlüsseln und als erste ein Lipocalin-spezifisches Rezeptorprotein (LIMR) zu entdecken. Ihre neueste Forschung an der menschlichen Tränenflüssigkeit begann als Suche nach neuen antibakteriellen Proteinen, doch lieferte ihre frühere Arbeit über Lipocaline wichtige Hinweise, die zu neuen Erkenntnissen über die Funktion der menschlichen Tränenlipocaline („Tear Lipocalins“, TL) führten.

Räuberischer Gegenangriff

Die Tränenflüssigkeit ist an sich gut erforscht und auch das Vorhandensein von TL war bereits bekannt, hingegen kaum etwas über ihre Funktion. TL können im Gegensatz zu anderen Bindeproteinen viele verschiedene wasserunlösliche Moleküle aufnehmen und man vermutete bisher, dass diese Fähigkeit für eine antibakterielle Wirkung wichtig sein könnte. Prof. Redl und seinem Team gelang es nun nachzuweisen, dass Tränenlipocaline nicht nur Bakterien sondern auch Pilze am Wachstum hindern und wie sie das tun. Sowohl Bakterien als auch Pilze brauchen Eisen zum Wachstum und produzieren dazu Siderophore, um das Eisen nutzen zu können. Die TL „rauben“ nun den Bakterien und Pilzen diese Siderophore, sodass sie sich nicht weiter vermehren können. Dazu nehmen die TL die mikrobiellen Siderophore auf und transportieren sie in Zellen, wo sie verarbeitet werden. TL können sowohl bakterielle als auch fungale Siderophore aufnehmen, eine wichtige Entdeckung bei der Abwehr von Pilzinfektionen.

Von der Tränenflüssigkeit zu den Schleimhäuten

Die Lipocaline, die mit ihrer räuberischen Tätigkeit im Tränenfilm das Auge vor Infektionen schützen, sind auch in der Nasenschleimhaut und anderen sekretorischen Drüsen, etwa in der Lunge, vorhanden. Die Erkenntnisse aus der TL-Forschung werfen daher neues Licht auf die Schutzmechanismen dieser Oberflächengewebe. Gerade über die Atemwege nimmt der Mensch jede Menge an Pilzsporen auf, die Zahl der Pilzinfektionen ist jedoch vergleichsweise gering. Die angesehene Fachzeitschrift Nature Reviews Microbiology widmet daher in ihrer Oktoberausgabe der Innsbrucker TL-Forschung einen Artikel.

Neue Fragen zu Transport und Schadstoffabbau

In weiteren Untersuchungen wollen Redl und sein Team sich mit den Vorgängen in der Zelle selbst beschäftigen. Ihr spezielles Interesse gilt den Fragen: Wie und wo genau geschieht das Andocken der Lipocaline mit ihrer Ladung an dem Rezeptorprotein? Wie baut die Zelle die Schadstoffe ab? Das Innsbrucker Institut für Molekularbiologie ist Teil des neu geschaffenen Biozentrums und nutzt dessen Ausstattung. In Sachen Proteinstruktur arbeitet es eng mit der TU München und darüber hinaus mit der Pathologie und Ophthalmologie an der University of California in Los Angeles zusammen.

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(Medizinische Universität Innsbruck, 29.09.2004 – DLO)

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