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Medizin

Rätselhafter Fabella-Knochen wird häufiger

Knöchelchen im Knie bildet sich abhängig von Genen, Geschlecht und Alter

Fabella
An der Hinterseite des Kniegelenks bildet sich bei manchen Menschen ein rätselhaftes Knöchelchen in der Sehne: die Fabella. © Michael Berthaume, Imperial College London

Rätselhaftes Knöchelchen: Forscher haben herausgefunden, was die Entstehung der sogenannten Fabella beeinflusst – einem Knochen in der hinteren Sehne des Knies. Demnach kommt dieser in die Sehne eingelagerte Knochen heute viel häufiger vor als noch vor 100 Jahren. Besonders oft ist er dabei in Asien, bei Männern und bei älteren Menschen zu finden. Dies legt nahe, dass sowohl die Gene als auch Umweltfaktoren eine Rolle für die Bildung des Knöchelchens spielen.

An der Hinterseite des Kniegelenks bildet sich bei manchen Menschen ein rätselhaftes Knöchelchen: die Fabella. Die in die Sehne eingelagerte, bohnenförmige Struktur entsteht durch die allmähliche Verknöcherung von Knorpelzellen und wird auch als „Blinddarm des Skeletts“ bezeichnet. Denn ein solches Sesambein scheint aus heutiger Sicht nutzlos zu sein und bereitet Betroffenen mitunter Probleme. So kann eine Fabella mit Schmerzen und Arthrose einhergehen. Sie wird in solchen Fällen dann manchmal chirurgisch entfernt.

Doch wie häufig sind die mysteriösen Knochen in der Sehne überhaupt? Und welche Faktoren spielen eine Rolle bei ihrer Entstehung? Um diese bisher offenen Fragen zu klären, haben Michael Berthaume und Anthony Bull vom Imperial College London nun 66 Studien aus 27 Ländern ausgewertet, die zwischen 1875 und 2018 unterschiedliche Aspekte zum Thema Fabella unter die Lupe genommen hatten. Insgesamt standen ihnen dabei Daten von 21.676 einzelnen Knien zur Verfügung.

Zahl hat sich verdreifacht

Die Ergebnisse ergaben: Offenbar sind die rätselhaften Knöchelchen in unseren Knien häufiger geworden. So hat sich die Zahl der Knie, die über eine Fabella verfügen, in den vergangenen 100 Jahren mehr als verdreifacht, wie die Forscher berichten. Heute besitzen demnach im Durchschnitt 36,8 Prozent der Knie weltweit ein solches Sesambein.

Wie häufig die Fabella in der Bevölkerung ist, variiert von Region zu Region jedoch stark. Besonders verbreitet ist dieser kleine Knochen den Analysen zufolge in Asien, wo bis zu 50 Prozent der untersuchten Knie eine Fabella aufwiesen, gefolgt von Ozeanien, Südamerika und Europa. Bei Menschen aus Afrika ist diese Besonderheit an der Hinterseite des Kniegelenks am seltensten. Dort verfügt nur jedes fünfte Knie darüber, wie das Team herausfand.

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Eine Frage des Alters

„Gehen wir davon aus, dass die Ethnizität der Probanden der Studienregion entspricht, dann deuten unsere Ergebnisse auf einen Zusammenhang mit regionalbedingten, genetischen Variationen hin“, erklärt Berthaume. „Allerdings könnten auch regionale Faktoren, die nichts mit den Genen zu tun haben, eine Rolle für die Bildung der Fabella spielen.“ Dass eine Veranlagung die Entstehung dieses Knöchelchens beeinflusst, wird durch einen weiteren Befund der Analyse gestützt: 73 Prozent der Menschen mit Fabella haben diese Struktur sowohl in ihrem rechten als auch in ihrem linken Knie.

Neben der Herkunft beeinflussen aber auch Geschlecht und Alter die Wahrscheinlichkeit für die Fabella-Entstehung, wie die Wissenschaftler feststellten. Demnach sind Männer etwas häufiger betroffen als Frauen und ältere Menschen haben öfter eine Fabella als jüngere. Letzteres könnte Berthaume und Bull zufolge mit der Belastung im Laufe des Lebens zusammenhängen: Im Alter hat das Knie so viele mechanische Reize erfahren, dass es zur Verknöcherung kommt. Trotzdem ist die Fabella keine reine Alterserscheinung: Auch in jungen Jahren können Verknöcherungsprozesse in der Sehne auftreten.

Kombination aus Genen und Umwelt

Nach Ansicht der Forscher liefern die Ergebnisse neue Einblicke in die Faktoren, die die Bildung des rätselhaften Fabella-Knochens fördern. „Während die Fähigkeit zur Fabella-Bildung genetisch bedingt zu sein scheint, mischen als Auslöser der Verknöcherung offenbar auch Umweltfaktoren wie mechanische Reize mit“, konstatieren sie.

Eine Rolle könnte dabei unter anderem die Ernährung spielen. So haben Berthaume und Bull in einer früheren Untersuchung bereits Hinweise darauf gefunden, dass das weltweit zunehmende Auftreten der Fabella mit der besseren Nährstoffversorgung und dem steigenden Körpergewicht der Bevölkerung zusammenhängt. In Zukunft wollen sie untersuchen, welche Bedeutung anderen Faktoren wie der sportlichen Aktivität zukommt.

Verlorengegangen – und wiederaufgetaucht

Auch aus evolutionärer Sicht gibt die Fabella noch Rätsel auf: So besitzen fast alle sogenannten Altweltaffen dieses Sesambein. „Bei Menschenaffen kommt die Fabella hingegen nicht vor, nur bei uns Menschen ist dieses verloren gegangene Knöchelchen wiederaufgetaucht. Die Frage ist warum“, erklärt Berthaume. Er und sein Kollege hoffen, diese und weitere Rätsel rund um die Fabella künftig besser beantworten zu können.“ (Journal of Anatomy, 2019; doi: 10.1111/joa.13091)

Quelle: Imperial College London

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