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Wissenschaft

Die „Science“-Highlights des Jahres 2021

Proteincode, Kernfusion und das Innenleben des Mars

Proteinstruktur
Der Durchbruch des Jahres2021 ist die Entschlüsselung von Proteinstrukturen durch lernfähige KI-Systeme. © theasis/ Getty images

Vom Atomkern bis zum Mars: Das Fachmagazin „Science“ hat zehn wissenschaftliche Errungenschaften zu den Highlights des Jahres 2021 gekürt. Darunter sind neue medizinische Therapien ebenso wie Fortschritte in der Kernfusion oder genetische Einblicke in die Vorgeschichte. Als wichtigsten Durchbruch des Jahre sieht „Science“ aber das Entschlüsseln der Proteinstruktur mithilfe von KI-Systemen – dies könnte nahezu alle Bereiche der Medizin entscheidend voranbringen.

Jedes Jahr kurz vor Weihnachten kürt das Fachmagazin „Science“ die Highlights des Jahres – und lässt so das wissenschaftliche Jahr noch einmal Revue passieren. In die Top Ten kommen dabei Forschungsergebnisse und Entdeckungen, die auf ihren Gebieten besonders zukunftsweisend und bedeutsam sind. Eine Errungenschaft wird als Durchbruch des Jahres besonders herausgehoben. Im Jahr 2020 war dies die Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19, im Jahr 2019 hingegen das erste Foto eines Schwarzen Lochs.

Proteinfaltung
Die Aminosäureketten eines Proteins sind auf mehreren Ebenen komplex gefaltet und verschlungen. © ttsz/ Getty images

Der geknackte Proteincode

In diesem Jahr haben die „Science“-Editoren die Entschlüsselung des Proteincodes durch KI-Systeme zum Durchbruch des Jahres 2021 gekürt. Gleich zwei lernfähige Algorithmen haben es geschafft, die dreidimensionale Struktur eines Proteins allein anhand seiner Aminosäuresequenz vorherzusagen – etwas, das zuvor als fast unmöglich galt. Denn für eine längere Aminosäurekette gibt es theoretisch mehr denkbare Faltungsmöglichkeiten als es Sterne im Kosmos gibt.

Gleichzeitig ist die dreidimensionale Struktur von Proteinen aber so komplex, dass selbst die Kartierung mit modernster Labortechnik Jahre dauern kann. Deshalb waren bisher erst rund ein Prozent aller Proteine entschlüsselt. Doch das hat sich nun geändert. Denn den beiden lernfähigen KI-Systemen AlphaFold vom Google-Forschungszentrum DeepMind und RoseTTAFold von Forschern der University of Maryland ist es gelungen, verborgene Gesetzmäßigkeiten der Proteinfaltung zu erkennen.

Die beiden „Proteinknacker“ haben seither schon die Struktur von 350.000 Proteinen im menschlichen Körper und gut tausend weiteren Proteinen entschlüsselt. „Dies ist ein Durchbruch in gleich zweifacher Hinsicht“, kommentiert „Science“-Chefredakteur Holden Thorp. „Zum einen löst es ein Problem, das seit fast 50 Jahren auf der To-Do-Liste steht. Zum anderen ist es eine bahnbrechende Technologie, die den wissenschaftlichen Fortschritt enorm beschleunigen wird.“

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Der Durchbruch des Jahres 2021.© Science Magazine

Kernfusion und abgelenkte Myonen

Auch in der Physik gab es 2021 zwei von „Science“ gekürte Highlights. Im August erreichte ein Fusionsexperiment an der US National Ignition Facility erstmals einen Rekordwert in der Energieerzeugung. Die beim Beschuss einer Deuterium-Tritium-Mischung mit Laserstrahlen erzielte Kernfusion setzte 1,35 Megajoule an Energie frei und kam dabei dem „Breakeven“-Punkt extrem nahe. Dieser bezeichnet den Punkt, ab dem die Fusion mehr Energie erzeugt als für sie aufgewendet werden muss.

Das zweite Physik-Highlight betrifft einen möglichen Hinweis auf Teilchen oder Kräfte jenseits des physikalischen Standardmodells. Das Myon-g2-Experiment in den USA hat signifikante Abweichungen beim anomalen magnetischen Moment des Myons gemessen. Dieser schwerere „Cousin“ des Elektrons verhält sich demnach beim Flug durch Magnetfelder anders als er sollte. Das könnte darauf hindeuten, dass das Myon auf einen bisher unbekannten physikalischen Einfluss reagiert.

Mars
Seismische Daten der Sonde Mars InSight haben erste Informationen über das Innenleben unseres Nachbarplaneten geliefert. © Chris Bickel, Science/AAAS, Mars InSight SEIS

Urzeit-DNA und das Innenleben des Mars

Zurück in der Vergangenheit führt ein Highlight in der DNA-Analyse: Gleich mehreren Forscherteams ist es in diesem Jahr gelungen, Erbgut der Neandertaler oder unserer Vorfahren aus jahrtausendealten Höhlensedimenten zu isolieren. Diese vorgeschichtliche DNA liefert wertvolle Aufschlüsse über Herkunft, Verwandtschaften und Lebensweise unserer Vorfahren.

Extraterrestrisch ist hingegen ein Jahres-Highlight aus der Planetenforschung: Die NASA-Raumsonde Mars InSight hat anhand von seismischen Messungen erstmals nähere Informationen über das Innenleben des Roten Planeten geliefert. Sie enthüllen, dass unser Nachbarplanet eine ungewöhnlich dünne, aber mehrteilige Kruste besitzt, dafür aber keinen unteren Mantel. Zudem scheint der Kern des Planeten größer und leichter zu sein als zuvor angenommen.

Corona-Therapien, Genschere und Magic Mushrooms

Unter den Highlights 2021 sind auch mehrere medizinische Errungenschaften. Dazu gehören Antikörper-Präparate gegen Covid-19 und andere Infektionskrankheiten, aber auch die ersten als Tablette verabreichbaren Medikamente gegen das Coronavirus. Die antiviralen Wirkstoffe Molnupiravir von Merck und Paxlovid von Pfizer haben in klinischen Studien die Sterblichkeit und das Risiko für schwere Verläufe von Covid-19 erheblich gesenkt.

Als ebenfalls medizinisch wegweisend stufen die „Science“-Editoren die ersten Gentherapien mithilfe der Genschere CRISPR/Cas direkt im Körper von Patienten ein. Die Methode reparierte Gendefekte, die eine Augenkrankheit sowie Leberschäden verursachten. Ein weiteres Highlight ist der Einsatz von psychedelischen Substanzen gegen verschiedene psychische Erkrankungen. Forschern gelang es durch den in „Magic Mushrooms“ enthaltenen Wirkstoff Psilocybin, Patienten mit schwerer, behandlungsresistenter Depression zu helfen. Ein anderes Team setzte die als Ecstasy bekannte Droge MDMA erfolgreich gegen Posttraumatische Belastungsstörungen ein.

Eher der Grundlagenforschung dient hingegen die Entwicklung von Technologien, mit denen frühe Entwicklungsstadien menschlicher Embryos im Labor aus Zellen gezüchtet werden können. Diese Blastozysten sind nicht lebensfähig, erlauben es aber, wichtige Schritte der Embryonalentwicklung zu erforschen, ohne dafür echte Embryos zu benötigen. (Science, doi: 10.1126/science.abn5795)

Quelle: American Association for the Advancement of Science (AAAS)

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