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Medizin

Probiotika: Doch nicht nützlich?

Studien stellen Wirksamkeit probiotischer Mittel in Frage

Probiotische Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel sollen eine gesunde Darmflora fördern - doch ihr Nutzen ist umstritten. © M_a_y_a/ iStock.com

Von wegen nützliche Bakterien: Probiotika sind womöglich nicht so gesund wie gedacht. Gleich zwei Studien deuten darauf hin, dass der Nutzen solcher Mittel sehr begrenzt sein könnte. Demnach siedeln sich die in den Produkten enthaltenen Mikroorganismen längst nicht im Darm jedes Menschen erfolgreich an. Auch die negativen Folgen einer Antibiotika-Einnahme scheinen probiotische Mittel nicht ausgleichen zu können – sie wirken im Gegenteil womöglich sogar kontraproduktiv.

Ob als Joghurt oder in Form von Kapseln und Pulver: Probiotika erfreuen sich großer Beliebtheit. Die in ihnen enthaltenen Bakterienstämme sollen sich im Verdauungstrakt ansiedeln, für eine gesunde Darmflora sorgen und so einer Vielzahl von Beschwerden vorbeugen können. Doch wie sinnvoll ist die Einnahme solcher Mittel wirklich?

„Wissenschaftliche Daten dazu sind rar und zum Teil sehr widersprüchlich„, sagt Eran Elinav vom Weizmann Institute of Science im israelischen Rehovot. Der Immunologe und seine Kollegen haben sich die Wirksamkeit von Probiotika daher nun genauer angesehen. Sie wollten wissen: Siedeln sich die Mikroorganismen aus Joghurt und Co überhaupt im Darm an – und wenn ja, welchen Einfluss haben sie?

Erfolgreich angesiedelt?

Für ihre Studie führten die Wissenschaftler bei 15 gesunden Probanden Darmspiegelungen durch und nahmen dabei Proben, um die Zusammensetzung des Mikrobioms zu bestimmen. Anschließend wurden die Teilnehmer in zwei Gruppen aufgeteilt: Die eine bekam ein herkömmliches Probiotikum mit elf unterschiedlichen Bakterienstämmen verabreicht, die andere ein Placebo. Über einen Zeitraum von zwei Monaten beobachteten die Forscher dann, was durch die Einnahme im Magendarmtrakt passierte.

Es zeigte sich: Während sich die Mikroorganismen bei manchen Probanden erfolgreich ansiedelten, klappte dies bei anderen überhaupt nicht. Bei wem die Probiotika Wirkung zeigten und bei wem nicht, ließ sich sogar vorhersagen, wie das Team feststellte: Der Erfolg war abhängig von der ursprünglichen Zusammensetzung des Mikrobioms sowie bestimmten Genexpressionsmustern im Magendarmtrakt.

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Im Stuhl, aber nicht im Darm

Zudem offenbarten die Untersuchungen, dass die im Körperinneren vorkommenden Bakterien nicht immer mit dem übereinstimmten, was im Stuhl der Teilnehmer zu finden war: „Wir haben die Probiotika bei allen Probanden im Stuhl nachweisen können, aber nur bei manchen im Darm – also dort, wo sie hingehören“, sagt Elinavs Kollege Eran Segal.

Eine wichtige Erkenntnis, denn: Bisherige Studien haben zur Untersuchung des Mikrobioms oft Stuhlproben verwendet, anstatt die Bakteriengemeinschaft direkt im Magendarmtrakt zu messen. Das bedeutet den Forschern zufolge, dass einige Ergebnisse der letzten Jahre in Bezug auf die Wirksamkeit von Probiotika irreführend sein könnten.

Kein universeller Nutzen

„Unsere Arbeit zeigt, dass der Nutzen probiotischer Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmittel nicht so universell ist wie gedacht“, konstatiert Segal. Doch das ist nicht alles: Bei einer zweiten Untersuchung fanden die Wissenschaftler heraus, dass Probiotika unter bestimmten Umständen mehr als nur wirkungslos sind – sie können sogar kontraproduktiv sein.

In dieser Studie gingen die Forscher der Frage nach, was die Gabe probiotischer Mittel nach der Einnahme von Antibiotika bringt. Diese Maßnahme soll dabei helfen, die durch die Medikamente gestörte Darmflora schneller wiederherzustellen. Aber funktioniert das auch? Das Team verabreichte 21 Probanden zunächst ein Antibiotikum und teilte sie dann zufällig einer von drei Gruppen zu. Ein Teil der Teilnehmer wurde gar nicht behandelt, ein Teil bekam das Probiotikum aus der ersten Studie und ein weiterer Teil körpereigene Bakterien in Form einer Stuhltransplantation verabreicht.

Negativer Effekt

Überraschenderweise zeigte sich: Nachdem das Antibiotikum sämtliche körpereigene Bakterien im Darm eliminiert hatte, siedelten sich die Mikroorganismen aus dem Probiotikum bei allen Probanden erfolgreich an. Diese fremden Bakterien aber verhinderten offenbar, dass die Zusammensetzung der Darmflora wieder in ihren normalen Zustand zurückkehrte, und zwar selbst Monate später noch.

Ganz anders bei den Probanden, die die Stuhltransplantation erhalten hatten: Bei ihnen erholte sich die Darmflora bedeutend schneller – innerhalb weniger Tage war sie wieder im Normalzustand, wie die Forscher berichten. „Dem derzeitigen Dogma zufolge sind Probiotika harmlos und nützen jedermann. Unsere Ergebnisse deuten jedoch auf eine potenzielle, unerwünschte Nebenwirkung hin, die womöglich sogar Langzeitfolgen hat“, sagt Segal.

„Im Gegensatz dazu könnte die Behandlung mit körpereigenen Bakterien nützlicher sein – einem personalisierten, von Mutter Natur entwickelten Probiotikum“, schließt der Forscher. (Cell, 2018; doi: 10.1016/j.cell.2018.08.041 und doi: 10.1016/j.cell.2018.08.047)

(Cell Press, 07.09.2018 – DAL)

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