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Medizin

Phtalat-Ersatz genauso gefährlich?

Bluthochdruck und Insulinresistenz auch durch Alternativen für schädliche Weichmacher

In den meisten Kinderspielzeugen dürfen die schädlichen Phtalate nicht mehr als Weichmacher eingesetzt werden. © freeimages

Schwacher Ersatz: Zwei Weichmacher, die als Ersatz für gesundheitsgefährdende Phtalate dienen, erweisen sich als ebenfalls schädlich. US-Forscher haben einen Zusammenhang mit Bluthochdruck und Insulin-Resistenz bei Jugendlichen erkannt. Da die Ersatzstoffe aus derselben Stoffklasse stammen, erhärtet dies den Verdacht, dass Phtalate allgemein zu den besonders schädlichen Umweltgiften gehören. Die Forscher nennen jedoch auch wirksame Gegenmaßnahmen.

Weichmacher aus Plastikgegenständen geraten immer mehr in Verruf. Viele dieser Zusatzstoffe stammen aus der Gruppe der Phtalate. Einige der schädlichsten Vertreter dieser Weichmacher sind in der EU bereits seit 2005 verboten, darunter auch das Di-2-Ethylhexylphlatat (DEHP). Die EU-Kommission stufte es als „krebserzeugend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend“ ein. Außerdem gehören Phtalate zu den sogenannten endokrinen Disruptoren – Umweltgiften mit hormonähnlicher Wirkung, die insbesondere bei Kindern Entwicklungsstörungen verursachen. Bluthochdruck, Insulinresistenz, Asthma und Neurodermitis gehören zu den bekannten Folgen.

Wenig Erkenntnisse über Ersatzstoffe

Hersteller von Verpackungen, Spielzeug und anderen Kunststoffgegenständen haben DEHP daher mittlerweile weitgehend ersetzt. Stattdessen sind zwei andere Phtalate verbreitet, nämlich Di-Isononyl Phthalat (DINP) und Di-Isodecyl Phthalat (DIDP). Sie galten als weniger schädlich, allerdings gab es bislang nur wenige oder widersprüchliche Erkenntnisse zu ihren Gesundheitsrisiken. Um sicher zu gehen, verbot die EU-Kommission DINP und DIDP zumindest in Spielzeugen für Kinder unter drei Jahren, die in den Mund genommen werden könnten – etwa Beißringe und Schnuller.

Mediziner unter der Leitung von Leonardo Trasande von der New York University (NYU) haben die mögliche Wirkung der Ersatz-Phtalate DINP und DIDP in mehreren Studien genauer untersucht. Sie analysierten Blut- und Urinproben von 356 Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren. Darin maßen sie Phtalate und deren Abbauprodukte sowie Glukose. Außerdem zeichneten sie den Blutdruck der Probanden zum Zeitpunkt der Probennahme auf.

Höherer Blutdruck, mehr Insulin-Resistenz

Die Ergebnisse untermauern, dass auch die Ersatz-Phtalate gesundheitsschädlich sind: Je mehr DINP und DIDP die Forscher in den Proben fanden, desto höher war im Schnitt auch der Blutdruck der Jugendlichen. Einen deutlichen Zusammenhang fanden die Mediziner auch zwischen den Phtalaten und Insulin-Resistenz. Bei den Probanden mit den höchsten DINP-Werten zeigte jeder Dritte Anzeichen dieser Vorstufe von Diabetes, bei niedrigen Phtalat-Konzentrationen nur jeder Vierte.

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Phtalate kommen am häufigsten in Plastik mit den Recycling-Codenummern 3, 6 und 7 vor. © gemeinfrei

„Unsere Forschung stützt die wachsenden Bedenken, dass Umweltchemikalien einen eigenen Beitrag zu Insulinresistenz, erhöhtem Blutdruck und anderen Stoffwechselstörungen liefern“, sagt Trasande. Für Eltern gebe es einige einfache und sichere Schritte, wie sie die aufgenommene Phtalatmenge ihrer Kinder reduzieren können. Wer etwa in Plastik oder Dosen verpacktes Essen durch frische Nahrung ersetzt, dessen Phtalat-Werte sinken messbar ab.

Vorsicht mit Frischhaltefolie und Plastikgeschirr

Wachspapier und Aluminiumfolie anstatt Frischhaltefolien aus Kunststoff seien ebenfalls hilfreich, meinen die Forscher. Für Aluminium gelten allerdings eigene Bedenken. Plastikbehälter und -geschirr sollten außerdem keiner größeren Hitze ausgesetzt werden, etwa in der Mikrowelle oder Spülmaschine, denn dadurch lösen sich enthaltene Phtalate stärker und gelangen vermehrt ins Essen. Die Wissenschaftler weisen auch darauf hin, dass Phtalate besonders in mit den Nummern 3, 6 und 7 im Innern des Recyclingsymbols markierten Kunststoffen enthalten seien.

In weiteren Studien wollen Trasande und seine Kollegen sich noch mehr mit den möglichen Langzeitfolgen der Phtalate auseinandersetzen. Dazu wollen sie sich vor allem auf die Phtalat-Dosis während der Schwangerschaft und der frühen Kindheit konzentrieren. Dabei, so vermuten die Forscher, könnten sich noch andere langfristige Gesundheitsprobleme zeigen. (Hypertension, 2015; doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.115.05603)

(NYU Langone Medical Center, 09.07.2015 – AKR)

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